Gerhard Ulbrich, Geh mit Gott und stirb

Buch-CoverDie wahren historischen Ereignisse handeln alle vom Sterben der Menschen. Erzähle mir was vom Tod und ich weiß alles über die Zeit.

Sieben Jahre nach dem Publikationsstart von Gerhard Ulbrichs Sterbe-Triologie, der erste Teil „Stillfried“ spielt um 1991und erzählt das elende, radioaktiv verseuchte Sterben kurz nach Tschernobyl, erscheint jetzt der Mittelteil. In „Geh mit Gott und stirb“ geht der Vertreter der nächsten Generation nach Ruanda, gerät in den Bürgerkrieg, und bringt sich wegen des daraus entstehenden Wirrwarrs im Kopf um.

„Und das Weltall weiß nichts davon.“ (29) Mit dieser lapidaren Feststellung werden alle Ereignisse abgerundet und versiegelt. Aus dieser fatalistischen Erkenntnis heraus ergibt sich auch der makabere Titel „Geh mit Gott und stirb“, der an einen Italo-Western erinnert. Tatsächlich scheint die Weltgeschichte zu jedem Jahrzehnt wie ein gottloser Italo-Western inszeniert zu sein.

„Am neunundzwanzigsten Februar aß ich nachmittags eine Banane.“ (9) Mit diesem historisierenden Schaltjahrsatz setzt eine Reihe von Begegnungen ein. Der psychisch abgeschlaffte Sohn aus Tschernobyl treibt sich in der Anstalt herum und sucht Gott, er ist sehr belesen und kriegt das mit dem Philosophen Leibnitz nicht hin, wonach diese Welt die beste aller Welten sein soll. Eine Bekanntschaft aus dem Bürgerkrieg in Ruanda berichtet in tagebuchartigen Einwänden, wie mitten in der Idylle das Gemetzel scheinbar ansatzlos ausgebrochen ist.

In einem Briefverkehr stülpen die Überlebenden der beiden Katastrophen Tschernobyl und Ruanda ihre Sinn suchenden Gedanken aus wie sterbende Fische ihre Kiemen an der Luft reiben. Tarkovskis langsame Filmsequenzen voller Regen, Niedergang und überfluteter Waldlichtungen können nur vage jene Empfindungen beschreiben, die in der enttäuschten und geschundenen Seele aufkochen.

Niemand hatte das Feuer entfacht. Niemand war vorher oder nachher zu sehen. Es begann einfach zu brennen. Wie in dem Film, sagte er zu ihr. Er betrachtete das Foto und sprach weiter: Das ist der Wald von Strelitschewo. Zu dem Zeitpunkt, als er zu ihr sprach, war jener Wald schon seit fünfzehn Jahren Sperrzone. (47)

Gerhard Ulbrichs Untergangssaga ist ein düsteres, dichtes Gewirr aus Einzelschicksal, Weltkatastrophe, großer Philosophie und singulärer Zerknirschtheit. Die Begegnungen sind assoziativ aufgefädelt wie in einem ganz gewöhnlichen Leben, nur dass die Fäden jeweils aus Katastrophen stammen und in sie münden.

Gerhard Ulbrich, Geh mit Gott und stirb. Begegnungen.
Wien: Uhudla A – Tri/TOn 2006. 90 Seiten. EUR 13,90. ISBN 978-3-901561-68-9

 

Helmuth Schönauer, 14-02-2007

Bibliographie

AutorIn

Gerhard Ulbrich

Buchtitel

Geh mit Gott und stirb. Begegnungen

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Uhudla & Tri/TOn

Seitenzahl

90

Preis in EUR

13,90

ISBN

978-3-901561-68-9

Kurzbiographie AutorIn

Gerhard Ulbrich, geb. 1946 in Wien, lebt in Deutschland, Österreich und in den USA.