Margarete Schütte-Lihotzky, Warum ich Architektin wurde

Buch-CoverBücher, die eine konkrete Frage stellen und diese stracks beantworten, haben immer etwas Faszinierendes an sich.

So stellt die Jahrhundert-Architektin Margarete Schütte-Lihotsky für ihre biographische Zusammenfassung die feststellende Frage ohne Fragezeichen: „Warum ich Architektin wurde“.

– Die Antwort liest sich dann so:

  1. die Architektur ist immer an einen Zweck gebunden
  2. alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse finden in der Architektur ihren Niederschlag
  3. Architektur ist die populärste Kunst, weil mit ihr alle in Berührung kommen (32/33)

Das sind auch die Berührungspunkte von uns lesenden Nachfahren mit der großen pragmatischen Künstlerin. Denn die Haupterfindung von Schütte-Lihotsky strotzt nur so vor Klarheit, Zweck und Emanzipation: die Frankfurter Küche.

Darin sind die Abläufe einer erziehenden und kochenden Hausfrau beinahe ironisch mit den Mitteln einer industriellen Alltagsserie auf den Punkt gebracht. Kurze Wege, logische Abläufe, runde Tätigkeiten ergeben eine Haushaltsführung, die beinahe bis zur Karikatur minimiert ist.

Die Memoiren leben davon, dass sie angesichts des abgewickelten Lebens völlig in den Hintergrund treten. Die Architektin hat ihren eigenen Lebensentwurf wie eine Skizze angelegt: Die Lehrmeister aus der Studienzeit, das Zwischenspiel in Holland, die zwanziger Jahre in Wien und die zwanziger Jahre in Frankfurt sind die abgearbeiteten Stationen.

Oft sind es einfache Beobachtungen, die zu genialen Konzepten führen. So ist die Architektin geradlinig von den Holländern inspiriert, als sie versucht, in die Siedlerbewegung etwas architektonische Ruhe zu bringen.

Die Holländer bauen Häuser wie Schiffe, steile Treppen, Kajüten, Wohnraum. (38)

Warum die Alpinbewohner gegen das Flachdach (74) Sturm laufen, ist ihr ein Rätsel, aus heutiger Sicht wissen wir, dass bei kontinentalen Stürmen durch den Unterdruck an der Hinterkante besonders Flachdächer abgedeckt werden. Hier macht offensichtlich das leise Misstrauen der Häuselbauer gegenüber den Architekturmeistern einen durchaus höheren Überlebenssinn.

Gerade weil die Biographie aus dem Nachlass nicht pingelig durchgefeilt ist, baut sich das dargestellte Leben im Buch plastisch und voller Überraschungen auf. Wenn etwas Wichtiges geschehen ist, gibt es einen kleinen Eintrag, wenn nichts los ist, gibt es eben nichts. So gleicht das Leben letztendlich einem Zusammenschnitt eines spannenden Lebens ohne Leerlauf.

Fotos, ein umfangreicher biographischer Scroll und ein Register lassen unerwartete Einblicke auf das Leben Margarete Schütte-Lihotsky zu.

Margarete Schütte-Lihotzky, Warum ich Architektin wurde. Mit einem Vorwort von Karin Zogmayer.
Salzburg: Residenz 2004. 240 Seiten. EUR 22,90. ISBN 978-3-7017-1369-1

 

Weiterführende Links:
Residenz-Verlag: Margarete Schütte-Lihotzky, Warum ich Architektin wurde
Dokumentationsreferat: Margarete Schütte-Lihotzky

 

Helmuth Schönauer, 05-03-2007

Bibliographie

AutorIn

Margarete Schütte-Lihotzky

Buchtitel

Warum ich Architektin wurde

Erscheinungsort

Salzburg

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Residenz

Seitenzahl

240

Preis in EUR

22,90

ISBN

978-3-7017-1369-1

Kurzbiographie AutorIn

Margarete Schütte-Lihotzky, Warum ich Architektin wurde. Mit einem Vorwort von Karin Zogmayer.