Clemens Berger, Die Wettesser

Buch-CoverBei einem echten Leser ist das Auge immer schneller als der rezipierte Begriff, der skurrile Titel „Wettesser“ verleitet zu optischen Abgleitungen, Wettleser, Wettmesser, Wet-desert, alles schwingt mit, ehe es klar ist: Hier geht es um das Fressen.

Clemens Berger hat seine skurrile Fabel von der Sinnlosigkeit aller Wettbewerbe an einem perversen Plot festgemacht. Zwei Japaner und zwei Amerikaner haben die Weltvormachtsstellung im Wett-Fressen inne, im entscheidenden Fress-Down siegt ein eher zierlicher Japaner mit kulturellen Schraffuren vor einem Ami-Ekel und Weltherrschaftsfettwanst par excellence.

Insgesamt sind auf der Hauptbühne vier Fressende im Spiel, und als Gegenwelt im Backstage-Demobereich bauen ein paar Vegetarier und Veganer ihre fleischlose Gegenwelt auf, die sie letztlich selbst überwinden, indem sie völlig fleischlich ein Kind zeugen und somit eine Hotdogausnahme machen.

Der Hotdog ist vielleicht der Hauptdarsteller in diesem wundersamen Roman. Irgendwie schaut dieses halb schlaffe und halb erregierte Ding wie die Imitation eines Geschlechtsorgans aus, und zigfach hintereinander in den Leib gewürgt ergibt es einen logischen Orgasmus an Perversität.

Wie bei jedem Wettbewerb geht es nicht um das „Warum“, sondern um das bloße „Um“. In der globalen Fressliga bereiten sich die Protagonisten auf die Wettbewerbe vor, ihre biographische Grundschattierung wird für die Presse grob herausgearbeitet, im Prinzip aber handelt es sich um Funktionsträger, die den Wettbewerb über den Fresssteg zu tragen haben, sonst nichts.

In Clemens Bergers Roman treten die Helden naturgemäß als Ekel auf, werden aber beinahe sympathisch, wenn man ihren Lebenshintergrund kennt. Vorne wird ekelhaft gefressen und hinten wird moralisch demonstriert. Als Leser hilft man bald einmal zu den Fressenden, den Machern, als zu den Demonstrierenden, den Deutern, dieser Welt.

Kaum eine Speise, die sich nicht in Rekordzeit hinunterwürgen lässt! Die Vorbereitungen auf das große Fressen, geheime Verfahren, wie das Spreizen der Speiseröhre, Spionage, Suggestion – die Groteske wird zu einem Déjàvu und zur Aufklärung für den Leser. Ist nicht jede Sportveranstaltung eine längst aus den Fugen geratene Fressorgie? Und gibt es da nicht auch in der Literatur das große Fressen, in Klagenfurt beim Ingeborg-Bachmann-Preis etwa?

Clemens Berger ist ein sehr vornehmer Autor. Er lässt der Schweinerei den Vortritt und glaubt an das Gute im Leser.

Clemens Berger, Die Wettesser. Roman.
Innsbruck: Skarabaeus 2007. 184 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-7082-3219-5.

 

Weiterführende Links:
Skarabaeus-Verlag: Clemens Berger, Die Wettesser
Wikipedia: Biographie Clemens Berger

 

Helmuth Schönauer, 02-04-2007

Bibliographie

AutorIn

Clemens Berger

Buchtitel

Die Wettesser

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

184

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7082-3219-5

Kurzbiographie AutorIn

Clemens Berger, geb. 1979 in Güssing, lebt in Wien.