Walter Pucher, Marsgeografie

Buch-CoverVom Umschlag blinzelt das Rote Haus aus Dornbirn herunter, eine kleine Referenz an den roten Planeten, wie der Mars wegen seiner Feurigkeit und Lust auf ferne Emotionen genannt wird.

In Walter Puchers Novelle „Marsgeografie“ geht es um Sehnsucht, Wissenschaft, Herzausschüttung und die Vermessung der scheinbar unermessbaren Gefühlsgeographie. Schmachtender Held ist der italienische Astronom Giovanni Virginio Schiaparelli (1835-1910), der als der Entdecker der Marskanäle gilt.

Im Haupttext berichtet Schiaparelli, wie unerwartet groß und wild die Marskanäle sind, was es vielleicht bedeuten könnte, dass in der Glut des Planeten straffe Strukturen eingeritzt sind, und dass man sich dieses marsianische Ausmaß nur mit Mühe in irdischen Einheiten auf der Erde vorstellen kann. Ganze Städte würden verschwinden, wenn sie in einem Marskanal liegen müssten. Immer wieder gerät der Forscher an die Grenzen seiner Erkenntnis, es wird wohl alles eher ein Roman werden, als eine wissenschaftliche Arbeit, meint er einmal gar nicht abgeneigt, da die Fiktion vielleicht besser unerklärliche Dinge darzustellen vermag als der so genannte Sachbericht.

Vielleicht führt die Verflechtung, ja die Gemeinsamkeit der Interessen, durch welche die Bewohner jedes Marstales unvermeidlich miteinander verbunden sind, dazu, dass die Einrichtung des kollektiven Sozialismus viel praktischer und zweckmäßiger ist als auf unserer Erde … (34)

Unter diesem Aspekt ist es kein Wunder, wenn jemand tatsächlich in einer Marsianischen Sprache zu kommunizieren beginnt. Diese Sprache kommt übrigens recht nahe an das Tautologische des Dadaismus heran.

In die Erzählung vom Entdecken unglaublicher Phänomene, von der Unmöglichkeit, in einer klaren Sprache das frisch Erkannte darzustellen, und von der romantischen ungelenken Umgangsweise der so genannten wissenschaftlichen Gesellschaft sind Kleinodien der Mythologie eingebaut.

Utopia, Orcus, Elysium, Atlantis – diese erlesenen Begriffe aus fernen Erzählungen werden unter dem Eindruck der Sprachlosigkeit neu erzählt.

Vielleicht lassen sich wahre Empfindungen nur in der Nacht ausmachen. Der Abend ist Bettgeher der Sonne, heißt es im ersten Satz. Die Nacht nämlich, wenn sie will, ist die Mutter Nosferatus, pechbrüstige Matrone mit allerlei Schandbälgen unterm Kittel. (8)

Walter Pucher hat eine marsheiße Nachtnovelle komponiert, das Surreale wirkt dabei vernünftig, das Romantische gediegen und das Sachliche kriegt jenes Schmunzeln, wie wenn sich das Herz für eine jähe Empfindung zusammenzieht.

Walter Pucher, Marsgeografie. Novelle.
Innsbruck: Limbus 2007. 120 Seiten. EUR 12,-. ISBN 978-3-902534-08-8.

 

Weiterführende Links:
Limbus-Verlag: Walter Pucher, Marsgeografie
Wikipedia: Walter Pucher

 

Helmuth Schönauer, 21-06-2007

Bibliographie

AutorIn

Walter Pucher

Buchtitel

Marsgeografie

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Limbus

Seitenzahl

120

Preis in EUR

12,00

ISBN

978-3-902534-08-8

Kurzbiographie AutorIn

Walter Pucher, geb. 1971 in Spittal/Drau, lebt in Wien.