Walter Lendl, Darum nerven Österreicher
Zu einem guten Österreicher gehört es, dass er sich freut, wenn man ihm eine Untugend als typisch österreichisch nachsagt.
So gesehen ist jeder ein guter Österreicher, der sich bei der Lektüre des nervigen Österreich-Buches angesprochen fühlt und sich naturgemäß umso mehr freut, je negativer diese Analyse ausfällt.
Walter Lendl schenkt den Österreichern rein gar nichts. In einem Erzählstrom gemixt aus Thomas Bernhardscher Abrechnung und Franz Kafkas bürokratischer Abenteuerlust werden die Österreicher ordentlich auf die Schaufel genommen. Aber Walter Lendl zeigt sich auch nach der Flucht aus Österreich als begeisterter Österreicher, je mieser er seine ehemaligen Landsleute macht, umso mehr schießt ihm die Liebe zu diesem seltsamen Menschenschlag ein.
Gemessen an seiner Größe hat das Land unendlich viele Beamte, Dialekte und Rituale. Alles österreichische Wesen resultiert aus dem idealen Untertanenstaat. Alles Wesentliche wird von oben her gesagt, und der Sinn der Untertanenschaft besteht darin, den Befehlen und Ratschlägen von oben auszuweichen, kräftig zu raunzen und kreativ das Gegenteil von dem zu tun, was offiziell in Worte gekleidet worden ist.
So ist Österreich ein Volk voller Alltagsgenies. Am Beispiel der Beamten lässt sich gut zeigen, wie dieser Alltag reibungslos kreativ bewältigt wird. Jeder ist nämlich entweder selber Beamter oder kennt jemanden, der den Weg zu einem echten Beamten öffnet. Freundlich grüßen, nie recht haben, gut zuhören sind wichtige Eigenschaften, die man als Kundschaft haben sollte, wenn man einem österreichischen beamten gegenübertritt.
Walter Lendl schreibt eine irrwitzig genaue Geschichte Österreichs, dabei wird kein Feld vergessen: Heimat und Identität, Die österreichische Seele, Wirtschafts- und Sozialkunde, Geografie und Trinkgeld, Umgangsformen und Obsessionen, Kultur und Medien, Speisen und Getränke, verfreundete Nachbarn.
Exotische Begriffe und Fügungen wie Penthouse-Sozialismus, Wir sind Kirche, Gib Gummi, Das hamma schon immer so gmacht, I wer narrisch! bringen die Österreichische Nervensäge auf den Punkt.
Sicher lebt Walter Lendls Darstellung von der gekonnten Verwendung von Vorurteilen, abschätzigen Erwägungen und Analysen mit schräger Kopflage. Aber durch die Lektüre wird man bald einmal ein Fachmann für richtige Einschätzungen, es handelt sich nie um ein Vorurteil, sondern höchstens um ein Vorurteilerl. Die Verkleinerungsform ist die semantisch wichtigste Operation, um diesem Österreichischen Weserl gerecht zu werden. Nicht von ungefähr ist ein gut paniertes Schnitzerl in der Form des geographischen Österreich auf dem Cover abgebildet. Küss die Hand Herr Walter Lendl, ein durch und durch witziges Bucherl!
Walter Lendl, Darum nerven Österreicher.
Frankfurt/M: Eichborn 2007. 220 Seiten. EUR 13,-. ISBN 978-3-8218-4962-1.
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