Petros Markaris, Wiederholungstäter

Buch-CoverEin Krimi gilt als umso spannender, je glaubwürdiger er ist. Wie glaubwürdig ist aber das Leben eines Krimi-Autors, der spannende Krimis schreibt?

Petros Markaris ist der wichtigste Krimi-Autor Griechenlands und sein Held Kostas Charitos ist in manchen Gegenden berühmt wie Odysseus. Petros Markaris erzählt, wie er zu diesem Helden gekommen ist. Die Lösung ist verblüffend, dieser seltsame Kommissar ist einfach ein Verschnitt aus eigenwilligen Verwandten.

Freilich gleicht die Biographie Petros Markaris beinahe der Geschichte Europas. In Istanbul aufgewachsen, verschlug es den Autor nach Griechenland, und eigentlich schreibt und denkt er auf deutsch, denn in Wien hat er einen Teil seiner Studien absolviert.

Städte lassen sich nur durch Gerüche beschreiben, man muss zu Fuß unterwegs sein, um etwas zu empfinden, ein Auto darf höchstens ein seltsames Accessoire für die Unverwechselbarkeit sein. Aus diesem Grund fährt der Kommissar, wenn er schon ein Fahrzeug braucht, einen Fiat Miafiori, wie sie allenthalben in Libyen unterwegs sind. Und wie kommt der Autor nach Libyen? - Über den Zementhandel, Petros Markaris hat jahrelang im Mittelmeerraum im Zementhandel gearbeitet.

Diese rasante Verquickung zwischen Biographie, Abenteuer im eigenen Leben und konstruierte Kunstfertigkeit das Kommissars erzählt so beiläufig, wie Lesen und Schreiben funktionieren, wie eine Figur zu einer Ideologie auskristallisieren kann und wie sich zeitgeschichtliche Phänomene am besten über einen simplen Kriminalfall darstellen lassen. Der "Wiederholungstäter" Kommissar ist letztlich ein kulturell hellwacher Philosoph, der nicht nur die Fälle einer Lösung zuführt, sondern dabei auch die Lebenskultur der Beteiligten gegen den Wind bürstet.

An und für sich ist Petros Markaris Drehbuchschreiber, aber das ist in Griechenland so gut wie unmöglich, denn die Regisseure reißen alles an sich und empfangen die Drehbuchlieferanten wenn überhaupt durch den Boteneingang. Dabei ist das Drehbuch so etwas wie der Tortenboden eines fruchtigen Films.

Der Tortenboden ist überhaupt ein schönes Bild, um die untergeordnete und doch stabilisierende Aufgabe der Literatur zu versinnbildlichen. Letztlich ist auch das Übersetzen nichts anderes als ein Tortenboden in der neuen Sprache. Petros Markaris hat beispielsweise den Faust ins Neugriechische übersetzt und dabei ein paar Jahre seines Lebens unwiederbringlich aufs Spiel gesetzt.

Petros Markaris zischt nicht nur zwischen den Kulturen hin und her, sondern auch zwischen den Gattungen, literarischen Aufgaben und gunstvoll geformten Figuren. Ob Kommissar Charitos, Faust, Brecht oder der Film "Der Bienenzüchter": immer hat er seine unverwechselbare Handschrift hinterlassen.

Petros Markaris, Wiederholungstäter. Ein Leben zwischen Istanbul, Wien und Athen. A. d. Neugriech. von Michaela Prinzinger.
Zürich: Diogenes 2008. 190 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-257-06639-5.

 

Weiterführende Links:
Wikipedia: Petros Markaris
Diogenes-Verlag: Petros Markaris, Wiederholungstäter

 

Helmuth Schönauer, 22-04-2008

Bibliographie

AutorIn

Petros Markaris

Buchtitel

Wiederholungstäter. Ein Leben zwischen Istanbul, Wien und Athen

Originaltitel

Kat'exakolouthisin

Erscheinungsort

Zürich

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Diogenes

Übersetzung

Michaela Prinzinger

Seitenzahl

190

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-257-06639-5

Kurzbiographie AutorIn

Petros Markaris, geb. 1937 in Istanbul, lebt in Athen.