Roman Schatz, Der König von Helsinki

Buch-CoverManchmal ist das Schicksal an der Kippe zwischen Erfindung und Zuschlag angesiedelt, in solchen Fällen weiß man dann nie, ob es sich um einen Roman oder die Darstellung eines öffentlichen Sachverhalts handelt.

Roman Schatz erzählt schelmenhaft und abgebrüht das Leben eines Deutschen, der nach Finnland emigriert. Der Status des Ich-Erzählers gibt dem Text einen ordentlichen authentischen Schub, die eingefügten Wahrnehmungen und vor allem die aberwitzigen Dialoge lassen vermuten, dass das Buch ein handfester Roman ist.

Der Erzähler lernt das Leben über die Sexualität kennen, da ist erstens immer etwas los und zweitens tut sie auch nicht weh. Bei dieser Gelegenheit lässt sich auch die Bundesrepublik so halbwegs aushalten, es gibt zumindest an der Grenze einen formidablen Ostfeind und  wenn man gar bei der Bundeswehr gedient hat, versteht man plötzlich den Zusammenhang von Alltagspolitik, Kaltem Krieg und Wahnsinn.

Sirpa ist eine heiße Finnin, die zielstrebig in das Leben des Erzählers einbricht, bald wird geheiratet, das Leben nimmt in Finnland den üblichen Lauf. Bemerkenswert, wie sich Finnland und die ehemalige DDR gleichen, die Finnen haben seltsame Vorschriften in ihrem Bürokratie-Programm und haben nur eines im Sinn, die Sowjetunion nicht zu verärgern.

Während das Privatleben seinem Höhepunkt zustrebt, immerhin wird das eine und das andere Kind gezeugt, setzt sich der Immigrant als König von Helsinki durch. Er ist weit und breit der einzige, der die Finnische Sprache so halbwegs gelernt hat. Allmählich wird Finnland zum Normalzustand, während die Ecke am Bodensee zur entlegensten Stelle der Welt mutiert.

Es gibt kaum eine Situation, worin nicht die witzige Sprache der Finnen zumindest für die Deutschen Unterhaltung und Staunen bewirkt. So heißt beispielsweise die Formel, mit der die Ehepartner ihre Hochzeits-Zeremonie vor dem Standesamt abwickeln, durchaus auch "ich habe gefickt". (Die Übersetzungen sind jeweils diskret an den Buchrand gesetzt, damit der Leser selbst schuld ist, wenn er solche Fügungen aufsucht, indem er das Buch um neunzig Grad abdreht.)

Die Geschichte selbst geht wie heutzutage üblich aus, die Liebe wird heruntergefahren und man trennt sich irgendwie mit dem Bewusstsein, eine durchaus schöne Zeit hingelegt zu haben.

Roman Schatzs Roman ist ein toller Ritt durch die Höhen und Tiefen der Erotik und gleichzeitig auch eine spritzige Darstellung über die diversen Lebenskulturen an den verschiedenen Rändern Europas. Allein dass ein Deutscher nach Finnland geht, ergibt ja schon Stoff für ein ganzes Buch, und wenn dann noch die semantischen Messer zwischen den beiden Sprachen gezückt werden, ist charmantes Wetzen angesagt.

Roman Schatz, Der König von Helsinki. Oder wie ich der berühmteste Deutsche Finnlands wurde.
Frankfurt/M: Eichborn 2008. 254 Seiten. EUR 14,95. ISBN 978-3-8218-5836-4.

 

Weiterführende Links:
Eichborn-Verlag, Roman Schatz, Der König von Helsinki
Homepage: Roman Schatz

 

Helmuth Schönauer, 08-08-2008

Bibliographie

AutorIn

Roman Schatz

Buchtitel

Der König von Helsinki. Oder wie ich der berühmteste Deutsche Finnlands wurde

Erscheinungsort

Frankfurt

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Eichborn

Seitenzahl

254

Preis in EUR

14,95

ISBN

978-3-8218-5836-4

Kurzbiographie AutorIn

Roman Schatz, geb. 1960 in Überlingen, lebt seit 1985 in Finnland.