Laura de Weck, SumSum
Moderne Liebesgeschichten laufen längst nach virtuellen Gesetzen ab. Pech für die Liebenden ist nur, dass sich Hormone und Körper noch nicht ganz auf diese neue Lebensform eingestellt haben.
Bei modernen Theateraufführungen ist kein Geld für Personal da, weshalb die Autorin als pragmatische Theaterfrau auf ein kleines Personen-Set zurückgreift.
Ein Internet-Fan, einsam, hat über das Netz eine ferne Partnerin kennengelernt, ein Kassettenrecorder zeitloser Machart liefert Anleitungen für Begrüßungs- und Liebesformeln in einer fremden Sprache, die Geliebte hat eine Schwester, der Liebende einen einsamen Freund. Am Rande braucht es noch einen Priester, der halb als Drohung, halb als Antiquität des festen Lebenssinns überall Hochzeiten ausruft, wo immer er auftauchen muss.
Kurzum, der Internet-Lover setzt sich ins Flugzeug und fährt an das Ende der Welt, um dort seine Partnerin zu treffen. Diese rückt mit Schwester und Priester an, um das alles in der eigenen Kultur zu manifestieren. Zwischen Sprech-Gestotter und kulturellem Wirrwarr zeigt sich, dass der irdische Boden anders funktioniert als die Liebe im Internet.
Aber diese virtuelle Welt ist ja nur der vorgebliche Schein, den es zu allen Jahrhunderten gegeben hat. Liebst du mich, wenn ich es ausspreche, ist es dann hin, bin ich, was du erwartest, wie können wir in einer fremden Welt bestehen?
Die wichtigsten Fragen ergeben sich aus dem realen Umgang mit der Umgebung. Zwischen Infantilität, Fingersprache und Wortlosigkeit gibt es kaum einen Unterschied. Das wichtigste Signal dieses Stückes ist daher ein kleiner Strich, der nach Regieanweisung eine glatte Pause darstellt, und es gibt viele Pausen der Realität in diesem Stück.
Einmal versucht der Liebhaber sein Gefühl mit honigsuchenden Bienen zu vergleichen, Sumsum, you know?
Überhaupt spielt das Stück zur Hälfte in jenem universellen Touristen-Englisch, das Gerhard Polt in seinen Touristenstücken so treffend darstellt. Man spricht deutsh!
Die Schwester ist eigentlich die interessantere Frau, stellt der Lover allmählich fest und fährt wieder heim. Sein Freund ist schon ganz geil und will wissen, ob die Schwester zugänglich ist. Furchtbare Einsamkeit legt sich wieder über die Bühne. Das Netz bringt vieles, aber hat auch am Ende der Welt seine Grenzen. Die Liebe verspricht manches, hat aber oft schon in der ersten Umarmung die Grenzen erreicht.
SumSum ist eine witzige Liebestragödie an der Kippe zwischen echt und gefälscht, wobei die sogenannte handfeste Bühne einen soliden Boden für die Oszillation von Vorstellung und Wille darstellt.
Laura de Weck, SumSum. Ein Stück.
Zürich: Diogenes 2008. 81 Seiten. EUR 9,90. ISBN 978-3-257-06681-4.
Weiterführende Links:
Diogenes-Verlag: Laura de Weck, Sum Sum
Wikipedia: Laura de Weck