Michael Fleischhacker, Politikerbeschimpfung

Buch-CoverWenn Politik zu einem vollkommenen Theater verkommen ist, müssten auch die Entlarvungsmittel des Theaters in der Politik greifen.

Bestes Stück über das Theater am Theater ist bekanntlich Peter Handkes Publikumsbeschimpfung, worin die Figuren aus dem Theater aussteigen und bloß noch Sätze in das Publikum werfen.

Für Michael Fleischhacker stellt sich die gegenwärtige Politik in Österreich ähnlich dar, die politischen Figuren sind aus sich selbst ausgestiegen und werfen dem Volk nur noch Satzhappen vor, eine perfekte "Politikerbeschimpfung". Wie recht der Autor mit allen seinen Thesen hat, zeigt, dass das Buch am Ende der letzten Regierung verfasst worden ist und sowohl während des Wahlkampfes als auch nach der Wahl durchgehend gültig ist. Denn Österreich bleibt, wie es ist.

In einem phantastisch frechen Rückblick auf die jüngere Geschichte Österreichs und die melancholisch-frivole Mentalität seiner Einwohner wird das Verhältnis Österreichs zum Ständestaat, zu Deutschland, zu Europa und zu sich selbst aufgerollt. Aus diesem Baumaterial ergibt sich das gegenwärtige Österreich wie von selbst, konturenlos, baufällig, ein festgefahrenes Stück "Große Koalition". Große Koalition ist längst zu einem Schimpfwort geworden, es bedeutet künstlich beatmeten Hirntod.

Die Rolle von Parlament, Opposition, Sozialpartnerschaft, Präsident und Medien ist jeweils als ein Mittelding zwischen Monarchie und Ständestaat angelegt. Ursache für diesen komatösen Zustand ist das Wahlrecht, das keine Regierung zulässt, die ein Minimum an demokratischen Standards aufweisen könnte. Wenn nicht bald das Mehrheits-Wahlrecht kommt, dann kollabiert Österreich mitten in Europa, vermutet Michael Fleischhacker bewusst theatralisch überspitzt.

Die Politikerbeschimpfung liest sich wie ein Kabarett-Programm, der Autor spart niemanden aus und fegt die mediokren Typen mit eleganten Fügungen spielend an die Wand. Als Leser ist man ein wenig versöhnt mit diesen muffigen Typen, denn endlich gibt es eine Sprache gegen die politische Kaste, die dieser ein bisschen weh tut, ohne dass die klug ausgewogenen Fügungen klagsreif wären.

Den einzelnen Kapiteln sind im Stile Handkes Fügungen aus dem theatralischen Stück "Politikerbeschimpfung" vorangestellt.

  • Die Geräusche der Zweiten Republik beim Sterben anhören (17);
  • Die Rechtgläubigkeitsüberprüfungsprotokolle der österreichischen Intellektuellen studieren und mit den Litaneien der Karfreitagsliturgie vergleichen (107);
  • Den Abgeordneten des Bundesrates zuhören, wenn sie im Chor den strafweise hundert Mal geschriebenen Satz "Max Weber ist kein Kugelgrill" vortragen (139).

Wahrscheinlich wird in der Österreichischen Politik gar nicht besonders oft gelogen, es wird nur besonders selten die Wahrheit gesagt. (164)

Michael Fleischhackers Österreich-Buch ist ein rasanter Uppercut in die Weichteile der jammernden Politikerseelchen, gleichzeitig aber stellt er immer vernünftige Auswege vor, es müsste also die Lage nicht hoffnungslos sein. Fürs erste freilich ist es für den Leser eine ungeheure Befreiung, endlich eine Sprache zu haben, mit der sich dieses amorphe Politik-Geknubbel im Lande beschreiben lässt.

Michael Fleischhacker, Politikerbeschimpfung. Das Ende der 2. Republik.
Salzburg: Ecowin Verlag 2008. 176 Seiten. EUR 22,-. ISBN 978-3-902404-63-3.

 

Weiterführende Links:
Ecowin-Verlag: Michael Fleischhacker, Politikerbeschimpfung
Wikipedia: Michael Fleischhacker

 

Helmuth Schönauer, 08-10-2008

Bibliographie

AutorIn

Michael Fleischhacker

Buchtitel

Politikerbeschimpfung. Das Ende der 2. Republik

Erscheinungsort

Salzburg

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Ecowin Verlag

Seitenzahl

176

Preis in EUR

22,00

ISBN

978-3-902404-63-3

Kurzbiographie AutorIn

Michael Fleischhacker, geb. 1969, ist Chefredakteur der Tageszeitung „Die Presse.