Elisabeth Wäger, Und i dr Mitti s Salz

Buch-CoverEine karge Tafel, die Umsitzenden löffeln aus einer gemeinsamen Schüssel, in der Mitte vielleicht das Salz.

So könnte nicht nur eine archaische Konstellation für eine Mahlzeit ausschauen, so könnte vielleicht auch die sprachliche Situation sein, in der Mitte die kristallene Klarheit der Mundart als das Salz der Kommunikation.

Elisabeth Wäger ist vielleicht der zweiten Generation der österreichischen Dialekt-Autoren zuzurechnen, meint Marie Thérèse Kerschbaumer in ihrem Nachwort. Nach H.C. Artmann und der Wiener Gruppe, wobei Dichtung sich auf Sprache in ihrer Materialfunktion konzentriert (103), hat die zweite Generation um N.C. Kaser, Gerhard Kofler, Hans Haid und eben auch Elisabeth Wäger dafür Sorge getragen, die diversen Dialekte als archaisches Material einzusetzen. Elisabeth Wäger kommt dabei die Aufgabe zu, im Alemannischen des täglichen Umgangs das Poetische hervorzuschälen.

In der von Hans Haid zusammengestellten aktuellen Sammlung lesen wir im lyrischen Teil von jenen kargen Installationen, die als dampfende Erdäpfel um das Salz aufgestellt sind. Ein schmutziges Glas wird den hohen Herrschaften gereicht, damit sie endlich sehen, wie die Erde bei den Unterschichten schmeckt, ein lebenslang schmerzender runder Rücken rührt daher, dass die Frau bereits als Zwölfjährige in die Ziegelei musste, und manchmal verschwindet eine Frau am Dachboden, starrt vor sich hin und die Angehörigen befürchten, sie werde sich was antun.

Immer wieder stehen Frauen im Mittelpunkt dieser Gedichte, geschunden, vernachlässigt, ausgestoßen sind sie für ein paar Zeilen zu einem einzigartigen Schicksal zusammengedreht wie irgendeine Speise, die sie üblicherweise für das Mittagessen zusammendrehen. Als Blöde hat eine alles gemacht, bis man sie dann ins Armenhaus gesteckt hat, als aus ihr keine Arbeitskraft mehr herauszupressen war, die Männer torkeln meist betrunken um die Frauen herum und machen alles noch schlimmer und auswegloser.

Ernüchternd heißt es:

wenn das anfangen / von etwas / doch das aufhören wäre / vom angefangenen (56).

In einem Miniroman versucht eine Frau an der Kippe zur Pension, ein Zubrot zu verdienen, um über die Runden zu kommen. Jeder Handgriff, jedes Angebot zur Arbeit wird dabei zu einer Verhöhnung, die vom System ausgeht. Den Habenichtsen wird letztlich noch vorgeworfen, dass sie sich zuwenig um das Nichts kümmern, das sie umgibt. So steht schließlich die Frau mit einem völlig antiquierten Mantel an einem Tischchen und verkauft die letzten Dinge, die ihr noch geblieben sind. Es schaut komisch aus, "wie in Odessa".

Ein paar Sagen sind im wunderbaren Singsang des Dialektes erzählt, grandios dabei jene "Sau-Sage", wonach man auf der Alm immer noch einen letzten Bissen für die Hausgeister übrig lassen muss. Als einmal ein frecher Gast alles aufisst, kommt die Sau herein und schnüffelt ihn ins Jenseits.

Den Dialekt-Texten auf der rechten Buchseite ist links immer eine Übertragung ins Schriftdeutsche gegenübergestellt, eine wichtige Hilfe für Dialekt-Außenstehende. Aber an die Kraft der Ur-Texte im Alemannischen kommen sie natürlich nicht heran.

Elisabeth Wägers Texte von der Hinterseite des Lebens, vom bissfesten Alltag und der Poesie des gerade noch Durchkommens sind tatsächlich das Salz in der Mitte.

Elisabeth Wäger, Und i dr Mitti s Salz. Dialektliteratur. Herausgegeben von Hans Haid. Mit einem Nachwort von Marie Thérèse Kerschbaumer.
Innsbruck: Skarabäus 2008. 115 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-7082-3252-2.

 

Weiterführende Links:
Skarabaeus-Verlag: Elisabeth Wäger, Und i dr Mitti s Salz
Kunstradio: Elisabeth Wäger

 

Helmuth Schönauer, 23-10-2008

Bibliographie

AutorIn

Elisabeth Wäger

Buchtitel

Und i dr Mitti s Salz. Dialektliteratur

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Skarabäus

Herausgeber

Hans Haid

Seitenzahl

115

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-7082-3252-2

Kurzbiographie AutorIn

Elisabeth Wäger, geb. 1942 in Rankweil, lebt in Wien.