Alex Capus, Der König von Olten
In einer mittelmäßigen Kleinstadt muss ein Schriftsteller immer damit rechnen, dass er argwöhnisch beäugt wird, wenn er etwas schreibt. Andererseits hinterlassen die Menschen einer solchen Stadt auch immer Wünsche, was der Autor als nächstes schreiben soll.
Alex Capus ist ein begeisterter Olten-Bewohner, der für einen Außenstehenden geradezu berührende Geschichten über jenes Kleinod des Zusammenlebens schreibt, das unsereins in der Hauptsache als Bahnknoten kennt.
Dennoch ist ihm gerade das oberste politische Stadttier oft nicht gut gesonnen, denn Alex Capus benützt ein herzliches Vokabular, das jenseits aller politischen Floskeln liegt.
Die Geschichten vom "König von Olten" gehen auf eine Anregung literarisch berührter Mitbürger zurück, in der Altstadt nämlich treibt sich ein intelligenter Kater herum, der Toulouse heißt und allgemein als der König von Olten gilt. Alex Capus benötigt gleich sechs Anläufe, um diesen Kater literarisch zu umkreisen, denn einfangen lässt er sich nicht, nicht einmal literarisch.
Die hohe Kunst von Alex Capus besteht in der minimalen Abschweifung. Da hat er den Kater im Visier, aber vorerst muss noch jene Episode erzählt werden, wo der Stadtpolizist ein Strafmandat an die Frontscheibe hängen will, sieht, dass er eine arme Frau mit Kindern bestraft, nimmt das Strafmandat mit und zahlt es selbst ein, denn Ordnung muss sein. Während vom Kater selbst nach sechs Episoden noch nicht allzu viel bekannt ist, weiß man in zwischen alles vom Stripper, der sich in Bars auszieht und Born to be wild singt, von den diversen Altstadttreffs und von den Gewerbetreibenden, die mehr Hof halten als etwas betreiben.
Um Olten verstehen zu können, muss man manchmal die Nachbarstadt Solothurn besuchen, die quasi die Antimaterie zur Eisenbahner-Stadt Olten ist. In Solothurn geht man jeden Tag in die Volkshochschule oder in sonst eine Bildung, in Olten weiß man, was man braucht, und begnügt sich mit einem gelassenen Abend.
Das Abwandern der Industrien, der pure Wahnsinn an Dienstleistungen, die Idee, dass ein öffentliches Bad mit seinen Sozialkontakten tausend private Pools ersetzen kann - diese scheinbar weltbewegenden Ereignisse machen schließlich aus einer vorerst x-beliebigen Stadt jenes Olten, das tatsächlich jede Prüfung zur Lebenstauglichkeit und zum Lebensgenuss auf Anhieb besteht.
Die wichtigste Frage für einen Kleinstädter ist immer, was ist erfunden, was erlogen? Alex Capus erklärt geduldig, dass alles erfunden ist, etwa dass Großvater, Vater und Sohn die gleiche Stimme haben, sodass sie am Telefon nie wissen, wer gerade mit wem spricht. - Da wünschen sich die Leser und nicht nur die Oltener, dass vielleicht doch nicht alles erfunden ist, denn Literatur gilt ja nur dann, wenn sie wahr ist.
Alex Capus, Der König von Olten. Mit Illustrationen von Jörg Binz.
Olten: Knapp Verlag 2009. 115 Seiten. EUR 16,50. ISBN 978-3-905848-17-5.
Weiterführende Links:
Knapp-Verlag: Alex Capus, Der König von Olten
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