Michael Amon, Und sie lügen doch

Buch-CoverSprichwörter begleiten uns unauffällig durch den Alltag, manche sind so was von allgemeingültig geworden, dass wir gar nicht mehr auf die Idee kommen, dass sie vielleicht gar nicht stimmen und verlogen sind.

Michael Amon nennt seine Schreibtätigkeit Konzentration der Wut auf das Wesentliche. Neben dem aktuellen Schlagwort Neoliberalismus kümmert er sich noch um Gottvertrauen, Politik, Ordnung der Dinge und Klassik, die er für plemplem hält.

Tatsächlich sind die Sprichwörter mindestens so wahr wie sie falsch sind. Geld allein macht nicht glücklich, Eigenlob stinkt, dem Tüchtigen gehört die Welt - da kann der Autor nur lachen, denn die Welt beweist täglich, dass genau das Gegenteil stimmt. Selbstverständlich braucht es Geld, um glücklich zu werden, selbstverständlich muss man sich ständig ins richtige Licht setzen und selbst loben, um Karriere zu machen, selbstverständlich setzt sich nicht der Tüchtige durch sondern jener, der mit minimalem Aufwand die größte Wahrnehmung erzielt.

Nach dieser Methode werden an die hundert Sprichwörter zerpflückt und als Phrasen enttarnt, die dem jeweiligen Anwender nützen. Die Politik lebt praktisch nur mit Phrasen und setzt ihre Slogans nach dem Konzept falscher Sprichwörter in Umlauf. Für jeden Fall gibt es einen Anwender, der dokumentiert, dass man erst mit umgedrehten Bedeutungen so richtig durch den Steilhang hohler Phrasen wedeln kann.

Aber nicht nur die Gegenwart ist plemplem, religiös motivierte Schlagwörter bedeuten generell das Gegenteil, und auch so etwas Hehres wie die Klassik ist letztlich nur ein schäbig verlogenes Präparat gegen die Erhellung des Daseins. So schreibt Goethe einerseits, wie er zum zweiten Frühstück den halben Kontinent an Leckerbissen leer frisst, während er in der sublimierten Literatur dann von der Genügsamkeit als wahrem Glück faselt.

Und die Zeit heilt alle Wunden, quatsch, wer einmal traumatisiert ist, kann sich diese Zeit auf den Hut stecken, er bleibt ein Leben lang verwundet und gekränkt.

Michael Amon beschreibt die ganze Weltlage, Politik und Lebensgefühl mit einem sagenhaften Wutanfall und hangelt sich dabei von einem Spruch zum nächsten, um ihn zu entlarven. Und als man glaubt, der Blutrausch der Dechiffrierung sei zu Ende, gibt es im Nachwort schon wieder Stoff für die nächsten Wutanfälle. Was so alles in einer Woche passiert, ein Polizist schießt einem Vierzehnjährigen in den Rücken, der OMV-Chef zeigt sich selbst wegen Insiderhandel an, Tierschützer werden nach dem Mafiaparagraphen verfolgt. Und für alles gibt es wieder ein passendes verlogenes Sprichwort, das uns alle wieder einlullen soll. Michael Amons Wut-Buch ist ein heftiger Weckruf, endlich aufzuwachen aus dem verlogenen (Öster)-Reich der Vertuschung.

Michael Amon, Und sie lügen doch. Sprichwörter beim Wort genommen. 100 Wutanfälle.
Wien: Molden 2009. 180 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85485-249-0.

 

Weiterführende Links:
Wikipedia: Michael Amon

 

Helmuth Schönauer, 02-11-2009

Bibliographie

AutorIn

Michael Amon

Buchtitel

Und sie lügen doch. Sprichwörter beim Wort genommen. 100 Wutanfälle.

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Molden

Seitenzahl

180

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85485-249-0

Kurzbiographie AutorIn

Michael Amon, geb. 1954 in Wien, lebt in Wien