Hans Eichhorn, Das Fortbewegungsmittel

Buch-CoverAlles, was dir einfällt, ist ein Fortbewegungsmittel. (13) - Mit dieser Theorie im Hintern lässt sich sowohl gute Literatur als auch gute Realität bewerkstelligen.

Hans Eichhorns Text braut sich vor den Augen der Leserschaft zusammen.

Vorläufig ist nichts abgeschlossen und fertig, es liegen höchstens allerhand Helden-Atome in der Luft, die sich durch Imagination zu einem realistischen Gebilde zusammenkleben lassen. Aus diesem Helden-Material entstehen Renate und Georg, die bald einmal eine Beziehung aufbauen und daran herum nagen.

Ähnlich einem Internet-Profil statten sich die Protagonisten mit Eigenschaften aus, sie ist leidenschaftliche Nichtraucherin und er heftiger Antialkoholiker. Ihre Thesen holen sich die Hauptfiguren aus einer gewissen Lebenserfahrung, die frei herum schwirrt und bloß gepflückt und angewendet werden muss. So zwingt etwa das Fernsehen geradezu zum Saufen, während ein Angesoffener nicht mehr viel tun kann außer fernzusehen.

Georg erwartet stündlich einen Außenbordmotor und eilt deshalb der Gegenwart oft weit voraus. So ahnt er bei dieser Gelegenheit, dass es mit Renate nichts wird, während sie noch nichts davon weiß, da sie ja eine Kindheit in einem Möbelgeschäft hinter sich hat, statt auf einen Außenbordmotor zu warten und die Zukunft zu wissen.

Renate setzt sich übrigens aus zig Schichten zusammen, es gibt eine eigene Rücken-Renate, eine Gesichts-Renate, eine Möbel-Renate, sorgfältig zusammengeleimt entsteht aus diesen Folien allmählich eine Figur.

Zwischendurch kommen immer wieder Fortbewegungsmittel zum Einsatz, eine E-Gitarre ist beispielsweise ein ideales Fortbewegungsmittel. (68)

Während einerseits die Figuren eingeschweißt in ihren Körpern wundersam auf die Welt reagieren, verflüchtigt sich diese stets, kaum dass man sie anspricht. So kann ein philosophischer Satz über den Sinn der Welt gegen Satzende hin durchaus übergehen in die Erklärung, wie man ein Ei aufschlägt. Und auch die Natur schlägt poetisch klar ihre Eier auf, wenn man sie sanft genug einatmet.

Hans Eichhorn ist mit diesem Fortbewegungsmittel ein genialer Erzähl-Streich gelungen. Einerseits konstruiert sich der Text vor den Augen des Lesers wie geschmiert, andererseits dekonstruiert sich der Text auch wieder, kaum dass man ihn ins Auge gefasst hat. Und zwischen diesem Auf- und Ab von Sinn und Gestaltung sind die schönsten Sätze über Natur, Stille, Aussteigen und Erlebnisenthaltsamkeit verborgen. Diese Matador-mäßig zusammengehämmerten Figuren entwickeln dabei ein quicklebendiges Dasein und wir Leser verlieben uns gnadenlos in diese sorgfältig konstruierten Helden!

Hans Eichhorn, Das Fortbewegungsmittel.
St. Pölten: Residenz 2009. 153 Seiten. EUR 18,50. ISBN 978-3-7017-1528-2.

 

Weiterführende Links:
Residenz-Verlag: Hans Eichhorn, Das Fortbewegungsmittel
Wikipedia: Hans Eichhorn

 

Helmuth Schönauer, 06-12-2009

Bibliographie

AutorIn

Hans Eichhorn

Buchtitel

Das Fortbewegungsmittel

Erscheinungsort

Pölten

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Residenz

Seitenzahl

153

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-7017-1528-2

Kurzbiographie AutorIn

Hans Eichhorn, geb. 1956 in Vöcklabruck, lebt als Berufsfischer und Schriftsteller am Attersee.