Annette Pehnt, Mobbing

Buch-CoverMobbing ist so etwas wie Glück, nur verkehrt herum. Man kann es nur in Umrissen beschreiben und der Ausgezeichnete empfindet es als sehr subjektiv.

In Annette Pehnts Roman sind alle Figuren mit dem Mobbing "ausgezeichnet". Die ideale Familie, wie sie so gerne in didaktischen Vorzeige-Ratgebern vorkommt, besteht aus dem netten Häuschen in der Vorstadt, dem Vater Jo, der erzählenden Frau, dem Vorschulkind Mona und dem allgegenwärtigen Baby. Die melancholische Tragödie hat einen Hauptabschnitt "Valentinstag" und ein Stück seltsamen "Sommer".

Kurzum, Jo ist gekündigt worden und hängt in mieser Stimmung zu Hause herum. Scheinbar hat sich nichts verändert, aber die Gespräche haben von nun an einen seltsamen Unterton, die Handlungen könnten immer etwas strategisch anderes meinen und auch die Sensorik des Babys ist ab nun eine andere. Das Baby kommentiert quasi die Stimmung durch die Anwendung der frisch gelernten Sprache oder spielerischen Körpereinsatz.

Die Erzählerin versucht eine halbwegs logische Welt aufzubauen mit Argumenten und Strategien. Aber hinter allem steckt dieses seltsame Wort Mobbing, das nichts erklärt und doch für alles die letzte Erklärung ist.

Offensichtlich haben die Mitarbeiter zusammen mit der Chefin den Jo aus dem Betrieb gemobbt und zu einer Kündigung gedrängt, aber vielleicht war auch Jo selbst kein Arbeits-Waisenkind und hat seinerseits Fehler gemacht.

Jo ist zu alt. Zwar hat er keine kahlen Stellen im Haar wie Markus, kein Fett am Bauch wie T., er ist Vater einer jungen Familie, er trägt sein Baby auf dem Arm, mit seiner Tochter hockt er auf der Spielstraße und malt mit Straßenkreide Lachgesichter auf den Asphalt. Er könnte Marathon laufen. Er könnte ein Instrument lernen. Er könnte mit dem Fahrrad um die Welt fahren. Aber für den Arbeitsmarkt ist er zu alt. (81)

Die Erzählerin verliert zwischendurch die Fassung, wenn sie etwa einem Kind die Sandburg zerstört, nur weil Mona nicht mitspielen darf. Eine Gerichtsentscheidung zwingt die Firma, Jo zwischenzeitlich wieder einzustellen. Man verfrachtet ihn, offensichtlich um ihn restlos kaputt zu machen, in einen Container, worin er Tag für Tag je nach Lesart Papier oder Scheiße produzieren muss. Und die Berufung läuft, nichts ist endgültig.

Annette Pehnt erzählt einen Fall von Mobbing, wie er in seiner Gewöhnlichkeit kaum noch zu überbieten ist. Gerade weil die Welt zu Hause vor den Augen der Erzählerin und unter unseren Leser-Augen aus dem Ruder läuft, lässt sich nichts dagegen unternehmen. Die aggressiven Drohnen der Arbeitswelt umschwirren längst die Privatsphäre und zerstören alles, wonach dem fernen Arbeitgeber gerade ist.

In der skurrilen Tarnung der Abläufe ist dieser Roman ein echter Kafka, nur das Vokabular ist nicht der edlen Sprache der Bürokratie sondern der Säuglings- und Familienpflege entnommen. Das macht das Zartrosa der Vorstadtidylle so dunkel und Mobbing-grau!

Annette Pehnt, Mobbing. Roman.
München: Piper 2008. 165 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-492-05070-8.

 

Helmuth Schönauer, 02-01-2011

Bibliographie

AutorIn

Annette Pehnt

Buchtitel

Mobbing

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Piper

Seitenzahl

165

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-492-05070-8

Kurzbiographie AutorIn

Annette Pehnt, geb. 1967 in Köln, lebt in Freiburg / Breisgau.