Wolfgang Pollanz, Von Reisen

Buch-Cover

Wahrscheinlich die wichtigste Reise führt in die Sprache. Denn nur wer darin herum reist, kann physische Reisen planen, sich in der bereisten Gegend zurechtfinden und später davon erzählen.

Wolfgang Pollanz schickt seine Gedichte auf Reise in den Zwischenraum der Sprachen. An der Oberkante der Seiten flitzen Pfeile hin und her du verweisen auf das Deutsche oder Slowenische, denn gute Gedichte sind immer zwischen den Sprachen unterwegs.

Einmal auf die Reise geschickt, handeln die Gedichte von den Städten, Sehenswürdigkeiten und Landschaften, die offensichtlich ein lohnendes Ziel sein könnten. Aber der trockene Kommentar des Reisenden schlägt manchmal in pure Ohnmacht um.

Menschenhass überkommt mich / im  alten Hafen von La Rochelle, / zu viele Menschen, zu viele! / Vielleicht bin ich auch / zur falschen Zeit am falschen Ort / habe falsche Vorstellungen, / Erwartungen, die niemand erfüllen kann. / Andererseits weiß ich genau: / Ich bin jemand, / der immer dort sein möchte, / wo er niemals ist. (31)

In der Folge kommen China, Spanien, New York oder Totes Meer in den Genuss eines selbstkritischen Betrachters, der die touristischen Highlights argwöhnisch beäugt und seiner eigenen Empfindung misstraut. Die Sehenswürdigkeiten bleiben oft am Rande der Wahrnehmung liegen, manchmal ist es auch nur das Licht, das bemerkenswert ist, und dann stellt sich gleich die Frage, ob man für dieses Licht so weit fahren muss.

Auf Seitenwegen des Globetrotters liegt unter anderem auch Bozen, eine Stadt, die nicht weiß, was sie mit sich selbst anstellen soll. Als Pendant tauchen auf dem Weg nach Beograd zerstörte Siedlungen auf, die die Zukunft offensichtlich schon hinter sich haben. Über Amman lässt sich ein Einheimischer aus und versichert, dass es die langweiligste Stadt der Welt sei, "just fucking boring, ein wahrer Unort". (73)

In die Reisen eingeflochten sind aberwitzige Abenteuer aus dem Innenleben. So kauft sich das lyrische Ich auf einer Flaniermeile ein Notizbuch und schreibt etwas hinein, damit es zu seinem Eigentum wird. Dabei denkt der Schreiber an seinen Vater, der in seiner Demenz das Bild aus dem Pass gerissen und auf alle wichtigen Gegenstände Schildchen mit seinem Namen geklebt hat.

Am Schluss gibt es dann so etwas wie den lyrischen Urknall. Das lyrische Ich gesteht, dass es ein Stubenhocker ist und nur fallweise in die Welt hinaus reist, was aber letztlich egal ist, denn die Reisen passieren ohnehin in den Gedichten. Wolfgang Pollanz Gedichte sind romantisch, sarkastisch, weltoffen und voller Tastsinn nach der eigenen Seele!

Wolfgang Pollanz, Von Reisen. Gedichte. / O potovanjih. Pesmi. Ins Slowenische übersetzt von Irena Samide, Fotos von Tomaz Crnej
Graz: edition keiper 2011, 108 Seiten, 16,50 €, ISBN 978-3-9502761-8-3

 

Helmuth Schönauer, 18-03-2011

Bibliographie

AutorIn

Wolfgang Pollanz

Buchtitel

Von Reisen

Originaltitel

O potovanjih. Pesmi

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

edition keiper

Illustration

Tomaz Crnej

Übersetzung

Irena Samide

Seitenzahl

108

Preis in EUR

16,50

ISBN

978-3-9502761-8-3

Kurzbiographie AutorIn

Wolfgang Pollanz, geb. 1954 in Graz, lebt in Wies.

Themenbereiche