Rainer Krispel, Der Sommer als Joe Strummer kam

Der Genre-Roman hat den Vorteil, dass er die Insider mit Anspielungen und Zitaten aus dem Häuschen bringen kann, während er Neulinge in schrägen Informationszügen durchaus in die Materie einzuführen vermag.

Rainer Krispel gilt als die Punk-Ikone in Österreich, folglich handelt sein Roman auch vom Wesen des Punk und seinen Auswirkungen auf die Psyche der Handlungsträger. Hauptfigur ist der Punker Gustav, der bereits in der Schule in Linz Probleme bekommt, weil er den Plural Punx verwendet und auch heftig verteidigt.

In musikalischen Schüben wird der Werdegang dieses Gustav erzählt, von Linz aus geht es hinaus in die Punk-Szene Englands, Polens oder Berlins. Die Auftritte sind jeweils politisch eingebettet in Schikanen oder Unverständnis. Selbstverständlich haben die DDR-Grenzer nicht viel am Hut mit den Musikern, die einreisen wollen, aber der Punk ist eben dazu da, auch diese Hürden zu nehmen.

Dabei wird das Punk-Wesen durchaus auch kritisch unter die Lupe genommen.

Was den Hippies ihrem ‚Peace!‘ antaten, gönnten sich viele Punx mit der Anarchie – einen sinnentleerten Code für die eigene Indifferenz. (57)

Die einzelnen Kapitel sind diversen Highlights gewidmet, Konzertbeschreibung, Stimmung, Konkordanz der gesungenen Texte mit der jeweiligen Realität. Eines dieser Kapitel hat dem Buch auch den Titel gegeben, der Höhepunkt des Punk-Wesens war der Auftritt Joe Strummers von den Clash 1999. Nach diesem Auftritt soll die Welt ähnlich wie nach Tschernobyl eine andere gewesen sein.

Gustav freilich muss sich auch mit irdischen Dingen herumschlagen, nachdem es mit dem Sex eine Zeitlang gut gegangen ist, wird er dann doch nebenher Vater und fliegt von seinem Arbeitsplatz als Sachbearbeiter für KFZ-Stempelmarken. Der Sohn wird später als Dreizehnjähriger einem Retro-Konzert des Vaters beiwohnen und diesem verständnislos den musikalischen Vogel zeigen.

In dieser Kulturgeschichte des Punkwesens wimmelt es natürlich von tollen Erkenntnissen. „Die Leitdroge war ganz eindeutig der gute Alkohol.“ (73) „Die Verdauung und die Depression gehen oft Hand in Hand.“ (137) Und überstrahlt wird diese Philosophie von der semantisch-eisernen Lunge: „Ich will niemals sterben. Das ist Punk, Alter!“ (176) In einem kriminell witzigen Abspann gibt es dann noch einen hymnischen Punk-Song „The Boy Looked at Kreisky“.

Rainer Krispels Roman ist für die Szene natürlich Kult, jedes Kapitel wird mit zustimmendem Gröhlen aufgenommen und abgenickt. Für Außenstehende zeigt dieser Text voller Ironie das Bemühen, eine Kunstgattung auszuleben und weiterzuentwickeln, ohne von ihr gefressen zu werden. Und dann kommt noch das eigene Glück hinzu, das sich selten darum schert, was einer gerade macht.

Ein beeindruckender Punk-Roman.

Rainer Krispel, Der Sommer als Joe Strummer kam.
Wies: Edition kürbis 2012, 184 Seiten. EUR 18,90, ISBN 978-3-900945-45-7

 

Weiterführender Link:
Edition Kürbis: Rainer Krispel, Der Sommer als Joe Strummer kam

 

Helmuth Schönauer, 14-09-2012

Bibliographie

AutorIn

Rainer Krispel

Buchtitel

Der Sommer als Joe Strummer kam

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Edition kürbis

Seitenzahl

184

Preis in EUR

18,90

ISBN

978-3-900945-45-7

Kurzbiographie AutorIn

Rainer Krispel, geb. 1967 in Linz, lebt seit 1995 in Wien.