Markus Inama, Der Hoffnung ein Zuhause geben

Erzählungen aus Mitgliedsländern der EU werden oft als Reiseführer geschmückt, damit möglichst viel Tourismus entsteht, oder als Erfolgsgeschichte der Wirtschaft dargestellt, indem zu diversen Exportleistungen passende Gesichter präsentiert werden.

Markus Inama erzählt auch eine Geschichte aus der EU. Und auch seine Geschichte aus Bulgarien ist erfolgreich, wenn man sich das Konzept des Sozialprojektes Concordia zu Gemüte führt: „Wir feiern zwischendurch auch unsere Niederlagen!“

Das Gerüst dieses Hoffnungsberichtes stellen die Jugendlichen selbst mit ihren Kurzbiographien auf, die Namen sind anonymisiert, einige sind im jungen Alter inzwischen verstorben. Denn am Rand von Sofia zu leben bedeutet zuerst einmal, gesundheitlich am Ende zu sein. Viele Kids haben mit Drogen zu tun, schleichende Krankheiten und Infektionen sind die Folge, und erst wenn der Körper halbwegs saniert ist, lässt sich daran denken, eine Erzählung von Optimismus und Lebenssinn zu beginnen.

Auch das Sozialzentrum Sveti Konstantin wird logischerweise erst einmal mit Hilfe der Jugendlichen am Körper saniert, das heißt ausgebaut und bemalt. Bald sticht es farbenfroh aus der Industriebrache. Aber Farben helfen nicht gegen Unwetter, und Stürme beschädigen immer wieder das Dach.

Für den Innengebrauch gibt es eine minimale Hausordnung: So dürfen keine Waffen und Drogen im Haus herumgeistern, und es gibt auch Tabuzonen für den Schutz von psychisch Angeschlagenen. Im Außenauftritt gilt es vor allem, Arbeit zu schaffen und Arbeit zu finden. Ein Friseurgeschäft im Stadtinnern gibt Jugendlichen Hand-Arbeit und auch die Möglichkeit, mit der Bevölkerung Kontakt zu schließen.

Die Ausgrenzung der Straßenkinder, wenn sie noch dazu den Roma entstammen, ist gnadenlos und aggressiv. Für jedes Kind, das du rettest, legen die Roma eins nach, wird der Autor einmal beschimpft.

Markus Inama hält sich im geistigen Bedarfsfall an seine schöne Ordensregel als Jesuit. Wer ein Menschenleben rettet, rettet die Welt. Punkt.

Obwohl sich der Autor in diesem Buch völlig in den Hintergrund stellt, sind es gerade seine Lebens-Tugenden, die das Projekt vorantreiben. Einmal führt er ein Tagebuch, weil dieses die Zeit strukturiert und nach wie vor die beste Form der Lebensreflexion ist. Zum anderen betätigt er sich regelmäßig sportlich, weil gerade in devastierten Randlagen des Lebens die Anforderung an einen funktionierenden Körper groß sind. Und drittens lernt er ständig, so nimmt er sich gerne einen Straßenhund als kurzfristigen Begleiter, wenn er durch fremdes Hunde- und Menschengebiet geht. Der Hund dokumentiert feindlichen Rudeln, dass er einen Herrn hat, der Herr dokumentiert den Menschen, dass er einen verlässlichen Hund hat.

Die vergessenen Kinder von Sofia sind ein Parameter, der zeigt, in welchem Zustand unsere Gesellschaft ist. Es bedarf noch vieler Schritte der Inklusion, denn Inklusion heißt zum Unterschied von Integration, dass sich auch der Heimatbesitzer und Arbeitgeber ein Stück bewegen muss.

Markus Inama, Der Hoffnung ein Zuhause geben. Die vergessenen Kinder von Sofia
Graz: Styria Verlag 2017, 208 Seiten, 22,90 €, ISBN 978-3-222-13575-0

 

Weiterführende Links:
Styria Verlag: Markus Inama, Der Hoffnung ein Zuhause geben
Jesuitenkolleg: Markus Inama

 

Helmuth Schönauer, 14-10-2017

Bibliographie

AutorIn

Markus Inama

Buchtitel

Der Hoffnung ein Zuhause geben. Die vergessenen Kinder von Sofia

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Styria Verlag

Seitenzahl

208

Preis in EUR

22,90

ISBN

978-3-222-13575-0

Kurzbiographie AutorIn

Markus Inama, geb.1962 in Vorarlberg, ist Rektor des Jesuitenkollegs in Innsbruck. Von 2008 bis 2012 Aufbau des Sozialzentrums Sveti Konstantin in Sofia.