Heinz Kröpfl, Lebensläufe

Im engeren Bedeutungssinn hat der Lebenslauf mit dem Abrennen einer Strecke zu tun, und wer einmal einem Marathonisten zugesehen hat, wie er nach dem Ziel zusammenbricht, der versteht, dass es beim Lebenslauf um Leben und Tod geht.

Heinz Kröpfl lässt zwei mehr oder weniger gelungene Karrieren zuerst nebeneinander laufen und schließlich in den finalen Wettkampf eintreten. Denn das Perverse an extremen Lebensläufen ist, dass sie immer als Wettkampf ausgerichtet sind und wie beim Duell einen niedergestreckten Gegner als Beweis für die Überlegenheit des eigenen Lebenslaufs brauchen.

Zwei Schulfreunde hat nach der Schule das Leben verschluckt und auf jeweils eigenen Trommeln aufgewickelt. Kleinstauber ist eine Zeitlang Profitormann gewesen, ehe er kurz vor der entscheidenden Vertragsverlängerung ein Spiel verpatzt und arbeitslos wird. Die Überbrückungsbierchen führen stracks in die Scheidung, und jetzt beginnt das Tagwerk immer mit einer Erektion, die ins Leere führt. Das Leere nämlich ist das Büro, wo der Ex-Tormann Akten auffängt, wenn sie umzufallen drohen. Aber ein Motto Gorgias hält ihn am Leben:

Es gibt nichts, und wenn es etwas gäbe, so wäre es nur Schein. (20)

Ganz anders wacht Schmollbeck auf, seine Erektion wird liebevoll von seiner Frau abgeritten, für jeden Tag gibt es eine andere Stellung, ehe das Paar zusammen in die Kanzlei fährt, wo sie Notar und Notarin sind. „Wir haben kein Geld aber verdienen welches“, lautet ihr Motto, das es ermöglicht, alle Konsum- und Trendgüter dieser Erde zu genießen.

In der Stadt ist ein Staffellauf für Firmen angesagt, durch Zufall werden der Aktenschieber und der Notar aufeinandertreffen, die sich mittlerweile nur mehr vom Namen her kennen und sich gegenseitig für ein Arschloch halten. Während der Beamte allmählich mit dem Training beginnt und das tägliche Würstel weglässt, macht der Notar als Trainingseinheit eine Ehekrise durch. Seine Frau geht fremd und beglaubigt ihm das auch noch notariell. Er braucht nicht mehr viel zu trainieren, denn die Lebenswut spornt ihn an.

Es kommt zum lange geplanten Show-Down, bei dem sich die beiden Vertreter ihres Lebenslaufs endgültig in die Knie zwingen werden, es geht um Lebenssinn und Tod. In einem erzähltechnisch grandios aufgebauten Finale rennen die beiden Satz für Satz gegeneinander an, um an der Ziellinie zusammenzubrechen. Wie das Duell ausgeht, darf hier aus Gründen der Fairness gegenüber dem Spannungsbogen nicht erzählt werden.

Heinz Kröpfl jedenfalls lässt mit Genuss seine Figuren antreten um ihnen zu zeigen, dass es in Wirklichkeit ja um was ganz Anderes gehen könnte. Wunderschön geht der Beamte immer wieder aus dem Zimmer hinaus und aufs Klo oder was. Wenn er zurückkommt, nickt er jedes Mal beruhigt, er weiß, dass er wieder um zwölf Minuten älter geworden ist. Die Erzähl- Sympathien gelten eindeutig dem Beamten!

Heinz Kröpfl, Lebensläufe. Erzählung
Klagenfurt: Sisyphus 2016, 185 Seiten, 14,90 €, ISBN 978-3-903124-07-0

 

Weiterführende Links:
Sisyphus Verlag: Heinz Kröpfl, Lebensläufe
Regio Wiki AT: Heinz Kröpfl

 

Helmuth Schönauer, 10-11-2016

Bibliographie

AutorIn

Heinz Kröpfl

Buchtitel

Lebensläufe

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Sisyphus Verlag

Seitenzahl

185

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-903124-07-0

Kurzbiographie AutorIn

Heinz Kröpfll, geb. 1968 in Leoben, lebt in St. Michael.