Klaus Wolferstetter / Karin Kaci, Der Versteckspieler
Mika besucht die Unterstufe eines Gymnasiums, liebt Fußball, kommt mit seiner Familie ganz gut zurecht und ist mit seinen Beliebtheitswerten durchaus zufrieden. Doch dann wird sein Leben von einer Krankheit auf den Kopf gestellt - Neurodermitis - und nichts ist mehr so, wie es einmal war.
Die Geschichte beginnt wenige Minuten vor dem Zusammenbruch: Mika ist Tormann seiner Schulmannschaft, er macht seine Sache gut und das Match scheint schon gewonnen. Seine Gedanken schweifen ab, um sich von der Hitze in den Torwartklamotten abzulenken und die restliche Spielzeit gut zu überstehen.
Doch plötzlich bemerkt er ein Jucken und Brennen in der Armbeuge, das Mika vorerst abtut und nicht zuordnen kann, aber immer schlimmer wird. So schlimm, dass er schließlich fast wahnsinnig wird und sogar seinen Posten verlassen muss, um kalt zu duschen. Seine Schmerzen treiben ihn zur Raserei, er kann nicht mehr klar denken und flüchtet sich nach Hause. Was Mika lange nicht wahrhaben will, ist dem Leser sofort klar: Es handelt sich hierbei nicht um eine einfache allergische Reaktion, etwas Schlimmes ist im Anmarsch.
Stunden später ist sein Körper flächendeckend mit nässenden Wunden übersät und seine Mutter bringt ihn, nachdem sie den Zustand ihres Sohnes entdeckt hat, in eine Hautklinik. Das Gebäude ist trist, die Menschen in der Wartehalle wirken trostlos. Ein junger, optimistischer Arzt nimmt sich des neuen Patienten an, Dr. Paul versichert: "Das kriegen wir schon wieder hin." Mika muss nun einen längeren Krankenhausaufenthalt antreten und sich mit der Diagnose "Neurodermitis" auseinandersetzen.
Schon als Kleinkind hat er darunter gelitten, dann ist er aber jahrelang verschont geblieben. "Ein ganz normaler Ablauf", meint sein 35-jähriger Zimmergenosse Jochen, der sein Schicksal teilt. Mika aber rebelliert, er will nichts hören davon, dass er sich damit arrangieren muss, er sucht verzweifelt nach Antworten, die jedoch ausbleiben. Niemand kann genau sagen, warum und warum gerade jetzt die Krankheit ausgebrochen ist. Kortison und Antibiotika erfüllen schließlich ihren Zweck und Mika kann wieder heim.
Seine Familie kümmert sich liebevoll um ihn, obwohl Zeit ständig Mangelware ist. Seit Generationen führen sie ein Restaurant, Opa, Vater und Brüder sind Köche, die Mutter ist die Managerin. Auch Mika hat einen Gutteil seiner Kindheit zwischen Töpfen und Pfannen verbracht und steht dieser Branche durchaus positiv gegenüber. Sein Bruder Erik, der vitale, selbstbewusste Rockstar-Koch, kommt aus Thailand zurück, wo er in einem Hotel Auslandserfahrung gesammelt hat. Für Mika ist er einerseits ein Vorbild, andererseits muss er aber feststellen, dass er nicht mehr mithalten kann, dass für ihn ein anderer Weg gefunden werden muss und die zupackende Art seiner Familie wird ihm mehr und mehr zuwider.
Obwohl es Mika nach seinem Krankenhausaufenthalt etwas besser geht, ist die Neurodermitis von nun an sein ständiger Begleiter. Er lebt mit nässenden Wunden, ständigen Verbandswechseln und einer rigiden Diät - und das in einer Gastronomenfamilie.
Die Krankheit zehrt an Mikas Nerven, immer wieder kommt es zu Wutanfällen und er kann die Nähe von Menschen nur mehr schwer ertragen. In der Schule muss er ständig auf die Toilette laufen, um die Verbände zu wechseln, manchmal auch, um alleine zu weinen. Oft schaffen nur einsame Spaziergänge Abhilfe, obwohl er doch früher so gesellig und integriert gewesen ist.
Jule, eine Mitschülerin, ist seine heimliche Liebe, doch er verliert sie an seinen Bruder Erik, der in seiner selbstgefälligen Art die Hilferufe seines kleineren Bruders nicht zu deuten versteht. Später verschenkt er sein Herz an die Krankenschwester Leila, die ihn in seiner schlimmsten Zeit gesehen hat. Von ihr erhofft er sich Verständnis, er glaubt, dass es eine Verbindung zwischen ihnen gibt. Doch es stellt sich heraus, dass auch sie ihren "Mister Perfect" schon gefunden hat.
So sieht sich Mika mit der Tatsache konfrontiert, dass er vom Leben durch die Krankheit ausgebremst worden ist. Er ist nicht mehr in der Lage, in der Gastronomie zu arbeiten, Mädchen zu beeindrucken und seine Freundschaften zu pflegen. Um ihn herum pulsiert das Leben wie eh und je, doch er steht im Abseits.
Gegen Ende des Buches besucht Mika seinen Krankenhauskollegen Jochen, der ihm vorher suspekt gewesen ist, denn dieser hat ihm vermitteln wollen, dass sich nun sein Leben komplett ändern und die Krankheit ein Bestandteil seines Lebens bleiben wird - jetzt ist all das eingetreten. Jochen ist nun der Einzige, von dem sich Mika verstanden fühlt.
Zum Schluss steht fest, dass der Teenager die Schule für einen Aufenthalt in einer Naturheilklinik verlassen wird. Auch dass er nie mehr in diese Klasse zurückkommen wird, scheint ihm klar, doch bei der Überraschungsparty zu seinem Abschied denkt er: "Wow! Ich bin echt überrascht. Und ich bin sicher, dass ich wiederkomme. Ganz sicher."
Die Geschichte wird auf 142 Seiten erzählt und die Sprache ist einfach, klar und jugendlich, ohne übertrieben zu wirken. Der Text lebt von den Lücken, es wird nicht alles minutiös und zusammenhängend erzählt, doch das Gerüst bietet in erfrischender Form die Möglichkeit, sich das nicht Gesagt selbst auszumalen.
Ich glaube, das Buch wird beiden Geschlechtern Lesefreude bereiten und auch eine gute Option für schwächere Leser sein. Der Inhalt wirbt für Verständnis gegenüber chronisch Kranken, gibt Einblicke in das Leben mit Neurodermitis und wird den Leidgeplagten wohl aus der Seele sprechen.
Der vorliegende Band ist der vorerst letzte Teil der Reihe "Die Klasse", wobei in jedem Band ein Klassenmitglied mit seinem persönlichen Schicksal im Scheinwerferlicht steht. Auch "Die Schwebebalken-Prinzessin", "Der Zocker", "Die Rebellin" und viele mehr stehen zur Auswahl. Diese Reihe des Autorengespanns Wolferstetter/Kaci wird mit Sicherheit einen Platz in unserer Bücherei bekommen.
Klaus Wolferstetter / Karin Kaci, Der Versteckspieler. Aus der Reihe: Die Klasse, ab 12 Jahren
Stuttgart: Thienemann-Verlag 2010, 144 Seiten, 10,30 EUR, ISBN 978-3-522-20089-9
Weiterführende Links:
Thienemann-Verlag: Klaus Wolferstetter / Karin Kaci, Der Versteckspieler
Andrea Zeindl, 26-03-2010