Große Werke - Vergangene Zeiten: Das Mahabharata, Teil 1

Das Mahabharata gilt als das umfangreichste Epos der Weltgeschichte, dessen Wurzeln bis in das 3. Jahrtausend v. Chr. zurück reichen. Es gilt den Hindus bis heute als Quelle ethischer Verhaltensrichtlinien und Identität.


Einführende Erläuterungen:

Das Mahabharata ist das bedeutendste und umfangreichste Epos der Hindus und beschreibt in seinem Kern den Krieg zweier verwandter Fürstengeschlechter um die Vorherrschaft in Indien. Dieser Kampf zwischen den Kauravas und den Pandavas, die beide der großen Bharata-Dynastie entstammen, wird auf dem heiligen Schlachtfeld von Kurukshetra ausgetragen.

Mahabharata heißt: das große Epos [vom Kampf] der Nachkommen des Bharata. Auch wenn es unsicher ist, ob das Werk aus der Hand eines einzigen Dichters stammt, wird es traditionell dem Heiligen Vyasy zugeschrieben, der in der Geschichte selbst eine Rolle spielt und als Erzähler auftritt. Das Epos umfasst ca. 100.000 Doppelverse. Über die Datierung des Mahabharata besteht vor allem zwischen westlichen und östlichen Forschern Uneinigkeit. In seiner heute überlieferten Gestalt dürfte es vermutlich zwischen dem 4. Jhd. v. Chr. und dem 4. Jhd. n. Chr. entstanden sein. Die Ursprünge von Teilen des Epos sollen aber bis 3000 v. Chr. zurückreichen.

Das Mahabharata ist in 18 Bücher (Parvas) eingeteilt:

  1.  Adi Parva: Genesis, Herkunft und frühe Jahre der Prinzen
  2.  Sabha Parva: Aufstieg, Würfelspiel, und Exil der Pandavas
  3.  Bana Parva: Die 12 Jahre im Wald, Arjuna holt sich göttliche Waffen.
  4.  Virata Parva: Das 13. Jahr in der Verbannung
  5.  Udyoga Parva: Der Krieg wird vorbereitet.
  6.  Bhishma Parva: Kriegsbeginn, Bhisma als Oberbefehlshaber der Kauravas 
  7.  Drona Parva: Drona als Oberbefehlshaber der Kauravas 
  8.  Karna Parva: Karna als Oberbefehlshaber der Kauravas
  9.  Shalya Parva: Salya als Oberbefehlshaber der Kauravas, Duryodhanas Ende
 10. Sauptika Parva: Mitternächtliches Blutbad
 11. Stri Parva: Die Trauerfeier
 12. Santi Parva: Yudhisthira wird König
 13. Anushasana Parva: Letzte Anweisungen und Tod Bhismas.
 14. Aswamedha Parva: Das Ashwameda-Opfer
 15. Ashramabasika Parva: Dhritarashtras Lebensabend
 16. Musala Parva: Die Yadavas sterben aus.
 17. Mahaprasthana Parva: Die Pandavas betreten den Pfad desTodes.
 18. Swargarohana Parva: Die Pandavas erreichen die spirituelle Welt.

In einem Anhang von 16.375 Versen, das Harivamsa Parva, wird das Leben Krishnas beschrieben.

Im Laufe der Zeiten wurde die Ballade vom Kampf innerhalb der Bharata-Dynastie um die Vorherrschaft in Indien um zahlreiche, mehr oder weniger umfangreiche Texte erweitert. Zu diesen Texten gehören auch die zwei Balladen Savitri-Satyavan und Nala-Damayanti, die selbst zu den großen Werken der Weltliteratur zählen. Allen Texten voran steht aber ein religiöses Gespräch, die Bhagavad Gita, in der sich die tiefgründige Philosophie der Hindus aufgezeichnet findet. Die Bhagavad Gita wurde so geschickt in das Epos eingebaut, dass für gläubige Hindus jeder Zweifel, an ihrer ursprünglichen Zugehörigkeit zum Epos als Gotteslästerung erscheint.

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Das Mahabharata, wie wir es heute kennen, dürfte zwischen dem 4. Jhd. v. Chr. und dem 4. Jhd. n. Chr. niedergeschrieben worden sein. Bild: Revista Magazin

Im Epos selbst geht es aber um mehr als nur einen Krieg zwischen verfeindeten Geschlechtern, vielmehr wird eine mythische Geschichte der Menschheit mit einem prophetischen Ausblick in die Zukunft erzählt.
Was hier gefunden wird, kann woanders auch gefunden werden. "Was hier nicht gefunden werden kann, kann nirgends gefunden werden", heißt es im 1. Buch des großen Epos. Hier wird zwischen den Zeilen nicht weniger als die mythische Geschichte der Menschheit erzählt. Herrschte zu Beginn noch Frieden auf der Erde, wird durch den Konflikt der Krieg in die Gesellschaft getragen, der bis in die ferne Zukunft weitergeführt werden wird.

Das Mahabharata lässt sich einerseits, mit seinen großen Schlachtszenen und Heldentaten, in vielerlei Hinsicht mit der Ilias vergleichen. Auf der anderen Seite werden im Mahabharata auch noch philosophische Fragen behandelt, oder gibt es Debatten um die Staatskunst, Verhaltensvorschriften für die einzelnen Kasten und Geschlechter aber auch Fabeln und bunte Erzählstoffe.

Im Mittelpunkt des Handlung steht eine kleine Anzahl von Personen, deren Entwicklung und Schicksal im Laufe des Epos den Krieg herbeiführen werden. Auf der einen Seite stehen die 100 Kauravas, die Söhne des blinden Königs Dhritarastra, von denen Duryodhana und Dushasana eine exponierte Rolle spielen. Auf der anderen Seite finden wir die fünf Pandavas, die Söhne des verstorbenen Königs Pandu: Yudhisthira, Bhima, Arjuna, Nakula und Sahadeva. Die Kauravas sind die Söhne des herrschenden Königs, die Pandavas Söhne der Götter und zweier menschlicher Mütter. Beide Gruppen stehen einander schon in ihrer Jugend unversöhnlich gegenüber.

Die Sympathie des Erzählers liegt eindeutig auf Seiten der Pandavas, die von den besten Lehrern unterrichtet werden und zu vorbildlichen Menschen heranwachsen, denen die hervorragendsten Eigenschaften zukommen und die stets für das Gute eintreten. Die Kauravas sind nicht bereit, den rechtlichen Anspruch ihrer Vettern auf das Königreich anzuerkennen und sind entschlossen, ihren Machtanspruch mit allen nur denkbaren Mitteln zu verteidigen, wobei sie auch nicht vor Betrug und Mord zurückschrecken.

Das Epos ist aber weit davon entfernt, die Handlung als Schwarz-Weiß-Malerei zu entfalten. Duryodhana wird z.B. als guter und gerechter König, aber auch als mutiger und ehrenhafter Kämpfer geschildert, der aber mit sich selbst nicht im Einklang steht und alle wohlmeinenden Ratschläge selbst - von Göttern - zurückweist, sodass Angst, Zorn und Gier immer mehr Besitz von ihm ergreifen.

Aber auch die Pandavas sind am Konflikt nicht unschuldig. So hat der starke Bhima bereits in seiner Jugend den größten Spaß daran, seine Vettern zu verprügeln und auch von Seiten der anderen Pandavs müssen die Kauravas zahlreiche Demütigungen hinnehmen, was den Konflikt zusätzlich anheizt. Am Ende werden sie Duryodhana durch einen unehrenhaften Trick sogar tödlich verwunden. Die Spannung zwischen beiden Geschlechtern führt letzten Endes zu einem grausamen Krieg, in dem alle Vereinbarungen für den Kampf verloren gehen. Das Epos macht deutlich, dass es in einem Krieg keine Sieger geben kann, sondern nur zu Verlusten und Verrohungen führt. Es nicht möglich, inmitten eines grausamen Umfeldes ehrenhaft oder anständig zu bleiben.

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Vyasa (rechts), der Erzähler des Epos, dikitiert dem Elefantengott Ganesha die Geschichte des Mahabharata. Foto: Filmausschnitt Peter Brooks, Mahabharata

Zum Inhalt:

Die Herkunft

Das Epos beginnt mit der Schöpfung der Welt und der Herkunft des großen Königshauses der Bharatas, dem zu Ehren die Hindus Indien bis heute Bharatavarsha? nennen. Einer der Nachfahren des berühmten Bharata ist der gewaltige Bishma, der auf den Königsthron verzichtet und den Schwur leistet, kinderlos zu bleiben; ihm wird dafür von den Göttern die Gunst gewährt, selbst seine Todesstunde bestimmen zu dürfen.

Bishma regiert das Land während der Minderjährigkeit mehrerer Könige, zu denen schließlich auch die beiden Könige Dhritarastra und sein jüngerer Bruder Pandu zählen. Dhritarastra, der ältere der beiden, muss zugunsten Pandus auf den Thron verzichten, weil er blind zur Welt gekommen ist. Pandu gelingt es in zahlreichen Kriegen seine Herrschaft bis an die Grenzen der Welt auszudehnen.

Nach seinen Kriegszügen überträgt er die Herrschaft seinem blinden Bruder Dhritarastra und zieht sich mit seinem beiden Ehefrauen Kunti und Madri als Einsiedler in die Wälder zurück. Da es ihm aufgrund eines Fluches nicht erlaubt ist Kinder zu bekommen, wendet seine Frau Kunti ein Mantra, einen Zauberspruch an, mit dem sie jeden Gott herbeirufen kann und bekommt daraufhin drei Kinder.

Ihr ältester Sohn Yudhisthira stammt von Dharma, dem Gott der Tugend und des Todes ab; Bhima von Vayus, dem Gott des Windes und der Stürme und Arjuna ist der Sohn von Indra, dem König der Götter. Auch Madri, Pandus zweite Frau, benutzt das Mantra und bekommt die Zwillinge Nakula und Sahadeva, deren Väter die Zwillingsgöttern Aswini und Kumaras, die göttlichen Ärzte sind.

Das Leben und Schicksal der fünf Söhne, der Pandavas, werden fortan im Mittelpunkt des Epos stehen. Nach dem Tod Pandus und Madris ziehen Kunti und ihre Söhnen an den Hof Dritharastras, um diesem seine Neffen anzuvertrauen. König Dritharastra hat mittlerweile selbst 100 Söhne bekommen, die Kauravas, die im Epos den Gegenpol zu den Pandavas bilden werden. Von den Kauravas spielen der älteste Prinz Duryodhana und sein Bruder Dushasana die wichtigste Rolle. Kauravas und Pandavas haben aufgrund ihrer Herkunft Anspruch auf den Königsthron.

Das Würfelspiel

Bereits in ihrer Jugend stehen sich die Kauravas und Pandavas als Rivalen gegenüber. Bhima - der Stärkste von allen - lässt keine Gelegenheit aus, seine Vettern zu verprügeln und treibt mit Vorliebe bösartige Spiele mit ihnen. In Duryodhana wächst immer stärker der Wunsch, ihn und seine Brüder zu töten, ein Konflikt der sich durch das gesamte Epos zieht. Um den Streit zwischen den jugendlichen Kauravas und Pandavas nicht außer Kontrolle geraten zu lassen, betraut der König den großen Brahmanenkrieger Drona mit der Erziehung und Ausbildung der Prinzen.

In der Ausbildung zur Kriegskunst erweist sich Arjuna als Dronas bester Schüler, was den Neid und den Hass der Kauravas noch zusätzlich verstärkt. Bei einem Turnier ist es Arjuna bereits gelungen, alle seine Vettern zu übertreffen, als Karna, der Sohn eines Wagenlenkers, auf dem Turnier erscheint und sich im Waffengebrauch Arjuna als ebenbürtig erweist. Da Karna aber nicht der Kriegerkaste der Kshattriyas angehört, weigerte sich Arjuna gegen diesen zu kämpfen und verhöhnt ihn wegen dessen Abstammung. Duryodhana bietet Karna daraufhin seine Freundschaft an und erhebt ihn zu einem König. Er gewinnt dadurch einen mächtigen Verbündeten, der bis zum Schluss auf seiner Seite stehen wird.

Kunti, die Mutter der Pandavas, erkennt in Karna aber ihren erstgeborenen Sohn, dessen Vater der Sonnengott war. Um ihren Fehltritt zu verbergen, hat sie Karna als Baby im Fluss ausgesetzt, wo er von der Familie eines Wagenlenkers gefunden, aufgenommen und großgezogen worden ist.

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Die Kauravas und die Pandavas entwickeln bereits in frühester Jugend eine starke Rivalität gegeneinander. Foto: Filmausschnitt Peter Brooks, Mahabharata

Yudhisthira der älteste Sohn der Pandavas erhält von Dritharastra eine Anzahl von Ländern als Königreich. Den Pandavas gelingt es sehr rasch ihr Königreich in alle Richtungen auszudehnen und ihren Reichtum zu vervielfachen. Duryodhana, dessen Neid und Hass dadurch geweckt wird, versucht seine Neffen durch einen Brandanschlag zu ermorden. Die Pandavas werden gewarnt und es gelingt ihnen mit ihrer Mutter die Flucht, die sie schließlich zu König Drupada führt. Arjuna gewinnt dessen Tochter Draupadi zur Frau, die er aber auf Anweisung seiner Mutter mit seinen vier Brüdern teilen muss.

Erneut gelingt es den Pandavas ein Königreich zu errichten in dessen Hauptstadt Indraprastha sie einen Königspalast erbauen lassen, dessen Ausmaße und Schönheit unvergleichlich sind. Arjuna gewinnt Prinz Vasudeva zum Freund, bei dem es sich in Wirklichkeit um den Gott Krishna handelt, der ihm bis zum Ende zur Seite stehen wird. Nach zahlreichen Eroberungszügen erlangt Yudhisthira schließlich die Oberherrschaft über ganz Indien.

Der rasche Machtzuwachs der Pandavas erregt die Angst ihrer Vettern und sie beschließen, Yudhisthira und seine Brüder zu einem Würfelspiel an ihren Königshof zu laden. Shakuni, ein Falschspieler, der im vorhinein jeden Wurf weiß, fordert im Namen der Kauravas Yudhisthira zum Würfelspiel, das dieser aus Gründen der Ehre nicht ablehnen will. Shakuni gewinnt ein Spiel nach dem anderen, wobei der Einsatz der beiden Schwindel erregende Ausmaße annimmt, bis Yudhisthira schließlich all seine Schätze und sein gesamtes Königreich verspielt. Dem Spielfieber verfallen, setzt er sogar seine vier Brüder und sich selbst als Pfand und verliert.

Als allerletzten Einsatz bietet er seine Frau Draupadi, die schließlich von Dushasana - dem Bruder Duryodhanas - als Sklavin an den Haaren vor den König gezogen wird. Hier entbrennt nun der Rechtsstreit, ob Yudhisthira das Recht gehabt habe sie beim Würfelspiel zu setzen, obwohl er bereits sich selbst verloren hat. Duryodhana und Dushasana demütigen Draupadi auf das heftigste, dass Bhima schwört, beide eines Tages grausam zu töten.

König Dritharastra, durch die Auseinandersetzung völlig aus dem Gleichgewicht geworfen, gewährt Draupadi den Wunsch, ihren Ehemännern die Freiheit wieder zu schenken. Die Pandavas verlassen den Königshof werden aber auf Anraten Duryodhanas neuerlich zurück gerufen, um in einem letzten und alles entscheidenden Spiel alles einzusetzen. Die Verlierer müssen 12 Jahre lang als Asketen in den Wäldern leben und ein 13. Jahr in die Verbannung gehen, wo sie nicht erkannt werden dürfen. Nach dieser Zeit erhalten sie ihr Reich und alle ihre Schätze wieder zurück. Werden sie vor dieser Zeit erkannt, müssten sie weitere 12 Jahre Verbannung auf sich nehmen. Yudhisthira nimmt die Herausforderung neuerlich an und verliert.

 

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Andreas Markt-Huter, 02-12-2005

 

 

Weiterführende Links:
Wikipedia: Mahabharata
Lebensräume: Mahabharata
Agatucci: Introduction to the film Mahabharata

 

 

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