Varianten der Grammatik im deutschen Sprachraum
Heißt es nun sich von einer Krankheit oder Niederlage „auffangen“, „erfangen“ oder schlicht nur „fangen“. Das grenzüberschreitende Projekt „Variantengrammatik des Standarddeutschen“ gibt Antworten darauf und auf Vieles mehr und zeigt auf, wo und welche Unterschiede in der Grammatik der deutschen Standardsprache in den verschiedenen Regionen des deutschen Sprachraums zu finden sind.
Seit mehreren Jahren untersucht ein Projekt mit Wissenschaftlern aus Österreich, der Schweiz und aus Deutschland Unterschiede in der Grammatik in den verschiedenen Regionen von Südtirol im Süden bis Schleswig-Holstein im Norden von der Schweiz im Westen bis Niederösterreich im Osten.
Zurück zur Ausgangsfrage: sich „auffangen“, „erfangen“ oder „fangen“ ist ein schönes Beispiel dafür, wie unterschiedlich Wörter in manchen Regionen verwendet werden. In Tirol wird zu mehr als 70 % die Wendung sich von einer Krankheit „erfangen“ verwendet. In Ostösterreich sind es fast 100 % und in Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark zwischen 50 % – 60 %. In Deutschland lässt sich nur die Wendung „fangen“ nachweisen, während die Wendung sich von einer Krankheit „auffangen“ in der Schweiz in 20 % - 30 % der untersuchten Zeitungsartikel verwendet worden ist. In der Steiermark konnten alle drei Bezeichnungen gefunden werden.
Die Verbreitung der einzelnen Varianten wird anhand von Karten in % des
Auftretens in den jeweiligen Regionen anschaulich dargestellt.
Screenshot: Varianten Grammatik
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden in einem Nachschlagewerk dokumentiert, das nun online frei zugänglich ist. Hier finden sich Wörter von „abbezahlen / abzahlen“ über „Bebauen / überbauen / verbauen“ bis hin zu „fortwerfen / wegwerfen“ und „Zwei / Zweier“.
Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten der Suche. Beiträge zu Begriffen oder Themen finden sich entweder über die Eingabe eines Wortes in ein Suchfeld oder in den „Grammatischen Bereichen“ nach Themen wie z.B. „Flexion“, „Gebrauch von Adverbien, Konjunktionen, Partikeln und Präpositionen“ oder „Wortstellung / Satzgliedstellung“ u.a. Hier finden sich grundsätzliche Informationen über Variantenphänomene.
Im Bereich „Artikeltypen“ finden sich Beiträge zu den Artikeltypen „Grundlagenartikel“, „Überblicksartikel“ und „Einzelartikel“, wo schließlich alle Artikel alphabetisch aufgelistet sind.
Forschungsgrundlage für das Projekt ist die Auswertung von 68 Online Zeitungen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Für Westösterreich wurden die Tageszeitungen Vorarlberg Online und die Onlineausgabe der Tiroler Tageszeitung verwendet. Daneben finden sich für den österreichischen Raum die Online-Ausgaben von fünfzehn Zeitungen wie z.B. „Der Standard“, „Salzburger Nachrichten“, „Kurier“ oder „Kronenzeitung“. Eingeteilt wurde Österreich in die vier Regionen „A-West“ mit Tirol und Vorarlberg, „A-Mitte“ mit Salzburg und Oberösterreich, „A-Ost“ mit Niederösterreich, Wien und Burgenland und „A-Süd“ mit Kärnten und Steiermark.
Der gesamte deutschsprachigen Raum wurde insgesamt in 15 Regionen unterteilt zu denen neben „Belgien“, „Schweiz“ sowie sechs Regionen für Deutschland noch Liechtenstein, Luxemburg und Südtirol zählen.
Die "Überblicksartikel" stellen Phänomenbereiche vor, zu denen
sich verschiedene Varianten zusammenfassen lassen.
Screenshot: Varianten Grammatik
Untersucht wurden dabei vor allem die Unterschiede im Bereich der Grammatik, wie z.B. die Wort- und Satzgliedstellung und die Wortbildung, die in den verschiedenen Regionen erheblich Unterschiede aufweisen können. Da sich die Unterschiede nicht an den nationalen Grenzen festmachen lassen, wird auch nicht von nationalen Varianten gesprochen. Dabei handelt es sich aber nicht um Grammatik im Bereich des Dialekts oder der Umgangssprache, sondern um Unterschiede bei der Standardsprache, wie sie in den untersuchten Zeitungen zum Ausdruck gekommen sind.
Weiterführende Links:
Variantengrammatik des Standarddeutschen
Online Nachschlagewerk: Variantengrammatik
Andreas Markt-Huter, 28-01-2019