Ron Kolm (Hg.): The Unbearables

ron kolm the unbearablesWie bei einer Band tritt das künstlerische Individuum zurück und verneigt sich vor dem Band-Namen: The Unbearables.

Die Unausstehlichen sind ein loser Zusammenschluss von New Yorker Avantgardekünstlern, die den Blick weit vorausgerichtet, das Auge tief eingedrückt und das Gehör in den Boden versenkt haben. So erinnern die Unbearables an verschiedene urbanisierte Tierarten, die den Lebenskampf zelebrieren und zu erstaunlicher Höhe emporschrauben.

Ab und zu räkeln sich einige von ihnen in der Öffentlichkeit, sprechen am Trottoir jemanden mit einem Gedicht an, lesen von der Brüstung herab einen Zweizeiler oder verstreuen im Schneidersitz ein Poem im Park. Manchmal besetzen die Unbeareables die Brooklyn Bridge „und lesen den nach Hause trottenden Geschäftsleuten erotische Gedichte vor“.

Steve Dalachinsky stellt im Reader seine „Hausmeister-Augen“ vor, damit wird die Welt aus stabiler Randposition betrachtet. Der Hausmeister ist einerseits Vertrauter für die Underdogs, andererseits Feindbild für Kriminelle. Er schaut wie Robin Hood auf das Kommen und Gehen im Haus und greift zwischendurch mit einem Joint ein, wenn das Bild zu unerträglich wird.

Bonny Finberg erzählt von einer hitzigen Beziehung, die zwischendurch zu verdampfen scheint. „Wenn wir nicht vögelten, zofften wir uns.“ (40) Und dann bleiben die beiden bis zum Morgengrauen wach und analysieren einander.

Ron Kolm berichtet von jenem diffusen Grenzgebiet der Wahrnehmung, wo eine ungeladene Waffe losgehen kann, wenn das Drogen-Gestirn günstig steht für einen Schuss. Höhepunkt ist ein Scheißtag, von dem der Held schon vor dem Aufstehen weiß, dass es einer werden wird. (77)

Chavisa Woods lässt einen ungelenken Helden nach einem freien Platz suchen. Wie in einem schlechten Kinderspiel ist immer alles besetzt, und sogar Michael Jackson sucht nach einer Melodie, die unsichtbar macht. Im Klassenzimmer voller Zahnspangenkinder geht man während des Schuljahres einfach verloren.

Carl Watson stattet seine Helden mit seltsam konkreten Erfahrungen aus, einmal klingt es wie ein Stapel Tissuepapier, der im Keller von einem Hund gevögelt wird (129), in einer Rückblende auf Chicago 1977 wissen die Helden plötzlich nicht mehr, dass sie schon tot sind, und dann gerät eine simple Tour durch die Vorstadt außer Kontrolle.

Manchmal lohnt es sich, paranoid zu sein. (161)

Die Welt der Unbearables liegt vielleicht immer einen halben Meter tiefer als die Welt der gewöhnlichen Menschen. Diese soziale Tieferlegung der eigenen Erlebniskarosse bewirkt ungeheure Bodenhaftung. Wer tiefer unten liegt, hat es weniger weit nach oben, wenn er aufstehen muss. – Ein haptisches Sozialporträt vom abgesenkten New York.

Ron Kolm (Hg.), The Unbearables. Wir agierten völlig durchgeknallt. Eine Anthologie aus New York, a. d. Amerikan von Jürgen Schneider und Daniel Ostermann
Zirl: Edition BAES 2017, 165 Seiten, 15,00 €, ISBN 978-3-9504186-8-2

 

Weiterführender Link:
Edition BAES: Ron Kolm (Hg.): The Unbearables

 

Helmuth Schönauer, 17-06-2017

Bibliographie

Buchtitel

The Unbearables. Wir agierten völlig durchgeknallt. Eine Anthologie aus New York

Erscheinungsort

Zirl

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Edition BAES

Herausgeber

Ron Kolm

Übersetzung

Jürgen Schneider / Daniel Ostermann

Seitenzahl

165

Preis in EUR

15,00

ISBN

978-3-9504186-8-2

Kurzbiographie AutorIn

Ron Kolm, geb. 1947, lebt in New York.