Gerold Foidl, Gesammelte Werke

gerold foidl, gesammelte werkeIn der Literatur geht niemand verloren! Damit dieses schöne Sprichwort auch in Gültigkeit bleibt, müssen Bücher immer wieder vor dem Vergessen gerettet werden. Der Haymon-Verlag wirkt mit seinen Werkausgaben als mustergültiger Retter abdriftender Literatur.

Der Osttiroler Schriftsteller Gerold Foidl gilt als literarische Sternschnuppe, die immer wieder zu verglühen droht. Sein Erstling „Der Richtsaal“ wird seit 1978 als Untergrund-Bestseller herumgereicht. Dabei handelt es sich um eine Befreiungsgeschichte im kleinbürgerlichen Provinzmilieu.

Der Held Gid Flora kehrt aus der Psychiatrie noch einmal heim in die Kleinstadt, um mit der Familie abzurechnen. Im sogenannten Richtsaal werden die Urteile über den Jugendlichen gefällt, und was nicht in das unausgesprochene Benimm-Ritual passt, wird als abnorm erklärt.

Die heimlichen Spielregeln sind für den Helden nicht genau einzuordnen, jedenfalls leidet er elendiglich unter dieser kleinkarierten Welt. Verdüstert wird die Seelenlage des Jungen durch das sogenannte Kosakenmassaker bei Lienz, das er wie einen Stummfilm erlebt hat, und das ihn jetzt ein Leben lang verfolgt, zumal man nicht darüber sprechen darf. Nach einem misslungenen Suizid lebt der Held scheinbar hellwach in einer Scheinwelt zwischen drinnen und draußen, als Nummer unter Nummern, in der Psychiatrie ist das nicht leicht zu verorten.

Nach dem frühen Tod des Autors sind die fast fertigen Schriften unter dem Titel „Scheinbare Nähe“ im Suhrkamp Verlag publiziert worden. Gerold Foidl schaffte es somit als erster Osttiroler in diesen legendären Verlag. Der Ich-Erzähler ist mit der Diagnose Lungenkrebs konfrontiert und schreibt um sein Leben.

Wohl sahen wir uns mehrmals an, ohne miteinander auch nur ein Wort reden zu können, mein Kopf jedes Einfalls beraubt, unfähig etwas zu sagen, als hätte man mich in der Brust kastriert, in diesem quälenden Zustand ... scheinbarer Nähe.

Im dritten Werk „Standhalten“ trägt die Nachlassverwalterin Dorothea Macheiner acht Erzählungen zusammen, die in verschiedenen Facetten das Hauptthema beleuchten: Der Feind sitzt immer in der Familie!

Jetzt, zum achtzigsten Geburtstag, sind diese drei Raritäten zu einem anspruchsvollen Gesamtband vereint. In der Einbegleitung erinnert sich Karl-Markus Gauß daran, wie Gerold Foidl unnahbar immer in den Salzburger Lokalen herumgestanden ist und auf Leben und Tod geraucht hat, als hätte er alles schon erzählt. Dabei hat seine Erzählung erst mit seinem Tod begonnen.

Gerold Foidl, Gesammelte Werke. Der Richtsaal. Scheinbare Nähe. Standhalten, mit einem Vorwort von Karl-Markus Gauß, herausgegeben und mit Nachworten von Dorothea Macheiner
Innsbruck: Haymon Verlag 2018, 424 Seiten, 24,90 €, ISBN 978-3-7099-3417-3

 

Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Gerold Foidl, Gesammelte Werke
Wikipedia: Gerold Foidl

 

Helmuth Schönauer, 02-05-2018

Bibliographie

AutorIn

Gerold Foidl

Buchtitel

Gesammelte Werke. Der Richtsaal. Scheinbare Nähe. Standhalten

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Haymon Verlag

Seitenzahl

424

Preis in EUR

24,90

ISBN

978-3-7099-3417-3

Kurzbiographie AutorIn

Gerold Foidl, geb. 1938 in Lienz, starb 1982 in Salzburg.