Ada Zapperi Zucker, Liebe und andere Verdrießlichkeiten

ada zapperl zucker, liebe und andere VerdrießlichkeitenIm großen Globalisierungsrausch, der meist auf Englisch durch das Netz zischt, geht fast schon verloren, dass Literatur etwas mit Sprache zu tun hat. Neben der Erzählsprache, die sich von Gebrauchsanweisungen unterscheidet, ist es gerade in der poetischen Fiktion relevant, in welcher Sprache erzählt wird. Zwischen der Originalsprache und der Übersetzung gibt es Buch-technisch gesehen den Paralleldruck als Sonderform.

Ada Zapperi Zucker stellt ihre fünf Erzählungen über Liebe und andere Verdrießlichkeiten links im italienischen Original und rechts in der Übersetzung durch Domenikus Andergassen dem Leser vors Auge. Damit sind alle Sprachmächtigen animiert, die Nuancen und Feinheiten auszukosten, die angehenden Sprachkünstler lernen mit dieser Methode die Simultanlektüre, je ein Auge fasst eine Sprache, wie es ja in zweisprachigen Ländern üblich ist.

Hellhörig wird man beim Thema dieser doppelten Erzählweise, in der Liebe kommt es nämlich auf den letzten Beistrich an, soll sie nicht zu einer Verdrießlichkeit werden.

In der Eingangserzählung „Liebe und Politik“ schlängelt sich Leda durch einen Lebensfilm der frühen 1950er Jahre. Die Szenerie erinnert an einen dieser gnadenlos klaren Filme des Neorealismus.

Bei einer Tanzveranstaltung trifft Leda auf einen Journalisten, der sofort von ihr überwältigt ist. Nach technischen Verzögerungen, die den Liebenden rasend machen, kommt es schließlich zu einem ersten tiefen Gespräch. Der Journalist stellt sich als Faschist vor. Jetzt muss die Heldin Farbe bekennen, was zählt mehr, die reine Liebe oder die ideale Politik. In der Nachkriegszeit hat man diese Fragen gestellt, heute würde Facebook die Liebenden in zwei Schwämme auflösen.

Eine ähnlich scharfe Trennung zwischen Liebe und Kunst muss ein Maler ziehen, als er bei aufkeimender Hormonlage keine klaren Konturen mehr sieht. Die Heldin ist ziemlich lebensreif und tut die Angelegenheit mit dem abwertenden Satz ab, er ist halt auch nur ein Mann.

Wenn ein Abendessen danebengeht, sind dreißig Jahre Ehe ein Klacks gegen das Drama dieses Abends. Als beim Essen die Gewürze versagen, implodiert das mühsam arrangierte Gesprächsformat. Die beiden halten sich das Leben zwischen Enttäuschung und Ermüdung vor und sind dennoch nicht imstande, die Sache wenigstens für diesen Abend zu beenden.

Die Toten wissen nicht, dass sie gelebt haben. (147)

Mit diesem Satz fassen zwei ältere Sommerfrischlerinnen ihr Leben zusammen, das sie im Hotel ausgebreitet haben. Es kommt zu einer fatalen Begegnung mit einem älteren Archivar, der sich die Lebensbeichte der einen erzählen lässt, ehe er Kinder- und Ehelosigkeit mit der schönen Navi-Frage abrundet:

Haben Sie ihr Ziel erreicht? (183)

Allein schon der Ausdruck Verdrießlichkeiten gibt diesen durchaus hermetischen Erotika jenen Schliff, der letztlich mühsam herausgearbeiteten Lebensweisheiten zugrunde liegt. Die Heldinnen sind abgeklärt und vorsichtig, denn sie wissen, dass jedes Glas nur einmal zerbricht.

Ada Zapperi Zucker, Liebe und andere Verdrießlichkeiten. Erzählungen. Zweisprachig. [Amori e altre peripezie, Racconti.] A. d. Ital. von Domenikus Andergassen
München: VoG Verlag ohne Geld 2018, 196 Seiten, 11,80 €, ISBN 978-3-943810-20-2

 

Weiterführende Links:
Verlag ohne Geld: Ada Zapperi Zucker, Liebe und andere Verdrießlichkeiten
Wikipedia: Ada Zapperi Zucker

 

Helmuth Schönauer, 07-06-2018

Bibliographie

AutorIn

Ada Zapperi Zucker

Buchtitel

Liebe und andere Verdrießlichkeiten. Zweisprachig

Originaltitel

Amori e altre peripezie

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Verlag ohne Geld

Übersetzung

Domenikus Andergassen

Seitenzahl

196

Preis in EUR

11,80

ISBN

978-3-943810-20-2

Kurzbiographie AutorIn

Ada Zapperi Zucker, geb. 1937 in Catania, lebt in München.