Raimund Lang (Red.), Czernowitzer Pasticcio

Buch-Cover

Der Osten Europas hat schon seit einigen Jahren Saison. Nicht nur wegen der EU-Vergrößerung und der wirtschaftlichen Connections, wahrscheinlich auch wegen der Lust an der eigenen Vergangenheit kümmern sich immer öfter Gruppierungen und Vereine darum, verschollene Kulturen und Gegenden wieder ins Bewusstsein zu heben.

?Der Traditionsverband ?Katholische Czernowitzer Pennäler? entstand aus einem studentischen Freundeskreis der 80-er Jahre, der vor allem an der Geschichte und Kultur des alten Österreich interessiert war und sich am 19. April 1994 in Klausen /Südtirol als eigener Verein konstituierte? heißt es am hinteren Umschlag des Büchleins, das offensichtlich zum Zehnjahrjubiläum der Pennäler
entstanden ist.

Karl-Markus Gauss, der Kulturexperte für entlegene Regionen, stellt unter dem Titel ?Steppenwölfe, herkunftslos? die vernichtete deutschsprachige Literatur der Bukowina vor. Da gerade mit dem Thema ?gesamtdeutsch? sehr viel Schindluder getrieben worden ist, geht es darum, behutsam einen neuen Zugang zu finden, gibt es doch den Befund des Dichters Moses Rosenkranz aus dem Jahre 1993:

?Eigentlich habe ich keine Muttersprache, weder deutsch noch Ruthenisch (Ukrainisch), noch Rumänisch würde ich als solche bezeichnen.? (16)

In den insgesamt 22 Aufsätzen und literarischen Annäherungen wird das Gebiet um Czernowitz von allen nur denkbaren Seiten abgegrast. Von der ersten Akademikerin dieser Gegend, über Schüleraffären, Hundeliebhaber, Muse und Heimat bis hin zur seltsamen Finanzprokuratur reicht der Themenbogen, und die einzelnen Geschichten kehren jeweils ein Stück nostalgisches, verzopftes oder matt glänzendes Altösterreich hervor. Zeitzeugen einer abgelaufenen Zeit räkeln sich noch einmal und holen längst
verschüttete Bilder hervor.

Ein größerer Aufsatz kämpft gegen das Vergessen der Vernichtung und Deportation der Juden an, hier gibt es etwa eine bedrückend gekrümmte Bahntrasse, welche in die Auslöschung führt, allein dieses Gedenkfoto bleibt den Lesern unvergessen.

Czernowitzer Pasticcio ist ein interessantes Lesebuch, das weit über die so genannte Pennäler-Kultur hinausgeht und sich an alle Leser wendet, die mit neugierigen und offenen Augen in die frisch zugezogenen Gegenden Europas schauen. Pasticcio ist übrigens ein Nudelgericht oder ein authentischer Stil der Nachahmung, beides passt genau, um den Kulturtopf Czernowitz zu beschreiben.

Czernowitz im Lexikon: Stadt in der Ukraine, am oberen Pruth, 260 000 Einwohner; Universität (1875); orthodoxe Kathedrale; Textil- und Nahrungsmittelfabriken, Maschinenbau, Holz- und chemische Industrie, Flugplatz. - Früher kultureller Mittelpunkt der buchenländischen Deutschen.

Raimund Lang (Red.), Czernowitzer Pasticcio. Texte, Fakten, Anekdoten. Eine Textsammlung herausgegeben anlässlich des 10. Gründungsfestes der ?Katholischen Czernowitzer Pennäler?.
Innsbruck : Traditionsverband Kath Czernowitzer Pennäler 2004. ( = Czernowitzer Kleine Schriften Heft 15). 117 Seiten. EUR 9,-. ISBN 3-902368-07-1.
Verlagsadresse: Roland Grill, Schöpfstraße 20, 6020 Innsbruck

 

Helmuth Schönauer, 22-10-2004

Bibliographie

AutorIn

Raimund Lang (Red.)

Buchtitel

Czernowitzer Pasticcio. Texte, Fakten, Anekdoten. Eine Textsammlung herausgegeben anlässlich des 10. Gründungsfestes der „Katholischen Czernowitzer Pennäler

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Traditionsverband Kath Czernowitzer Pennäler

Seitenzahl

117

Preis in EUR

EUR 9,-

ISBN

3-902368-07-1