Lukas Meschik, Einladung zur Anstrengung

luas meschik, einladung zur anstrengungIn der analogen Welt hat man früher in der Grundschule mit dem Setzkasten gearbeitet. Dabei wurden dem Kind allerhand Buchstaben angeboten, aus denen es jene Wörter nachbauen konnte, die auf der Tafel standen.

Lukas Meschik verwendet eine ähnliche Methode, wenn er sich in einem Essay darüber Gedanken macht, „wie wir miteinander sprechen“. Dabei steht in diesem Fall die Sprache an der Tafel, die wir in einem anstrengenden Verfahren abzuschreiben und anzuwenden versuchen. Der Titelgebende Abschnitt „Einladung zur Anstrengung“ weist darauf hin, dass wir wohl täglich in Routine und Flachsinn verfallen, und dass es sich allemal lohnt, Anwender der Gespräche und ihre Resonanz auf die Gedanken zu beobachten.

In kleinen Essay-Zellen geht der Autor ein paar Dutzend Situationen durch, in denen es zu Gedanken, Emotionen, öffentlichen oder verinnerlichtem Ideenaustausch kommt.

Die typische Situation einer Lockdown-Gegenwart ist das wütende Reden mit der Vergangenheit, indem man die ausgetrunkenen Flaschen an den Container trägt und zornig hineinwirft. Die ehemals so verheißungsvollen Versprechungen sind geleert und zerplatzen jetzt zu Scherben, mit ihnen lösen sich auch die Gesprächsfetzen in Glassplitter auf, die im besten Fall noch die Hand verletzen, die sie einsammeln will.

Im digitalen Bereich zerplatzen die Gespräche im Chat, wenn eine Diskussion am PC innerhalb von Minuten mit spitzen, ätzenden Bemerkungen endet, eine digitale Diskussion gleicht immer einem verletzenden Scherbenhaufen.

Ein Paradefall dieses kränkenden Diskurses geht eine Zeit lang unter dem Titel „Bierwirt“ durch die Medien, in diesem Musterfall ist die Semantik geprägt von Verhöhnung, Fake und herabwürdigender Sprache. Die Geschichte erfährt ihre „Lehrhaftigkeit“, weil die betroffene Politikerin Anklage erhebt und erst nach Umwegen zu ihrem Recht kommt. Oft ist das Reden ein komplizierter Rechtsfall geworden, auch hier ist Anstrengung vonnöten, mit klaren Gesetzen etwa.

Die Affektsprache liegt nah an einem binären System aus gut oder schlecht getakteten Reizwörtern. In der Vollendung dieses Affekts landen wir bei der Börse, wo Maschinen den Handel in Millisekunden erledigen, gefühllos, aber effizient. Jedes Posting reagiert ähnlich dem Börsenhandel auf ein vorbeiziehendes Angebot und wächst sich zu einer Hochgeschwindigkeitsmeinung aus.

Die Einladung zur Anstrengung setzt auch den Autor physisch in Bewegung, dabei kommt es zu drei wesentlichen Clearing-Wegen. Am Beginn steht die Entsorgung am Container, eine Art Reinigung vom Konsum, der frei macht für Denken und Reden.

Die zweite Runde führt in die Stammbücherei, worin Meinungen und Thesen wie Magazine aufgestellt sind, sie werden zuerst atmosphärisch und haptisch aufgesogen, ehe es ans Lesen im eigentlichen Sinn geht. Die Stimmung wird als „heiliger Furor“ (18) beschrieben, es entfaltet sich die Raserei des guten Geistes.

Unter der Schirmherrschaft der Bücherei lassen sich die verschiedensten Begriffe diskutieren, indem oft zum ersten Mal etwas so ausgesprochen wird, wie es empfunden wird. Selbst die mehrfach gespaltene Gesellschaft (33) lässt sich unter dem Dach der Regalstränge zu einem Diskurs zusammenführen, und sei es, dass jeder seinen Regalstrang entlanggeht und saugt und liest. Manchmal wird ein atmosphärischer Zustand zu einem Buch, das sich zitieren lässt, wie etwa Peter Handkes „Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“ oder Sten Nadolnys „Entdeckung der Langsamkeit“.

Ein Kapitel der Überlegungen nennt sich einfach „meta“ (40), dabei ist nicht der gigantische Weltkonzern für Information gemeint, sondern das griechische Dahinter, wo man ein wenig hinter die Dinge schaut. (Wobei hinter einem Bildschirm letztlich nichts ist.)

Aus diesem Meta-Blick, gepaart mit der zitierten Langsamkeit, entwickelt sich eine Gelassenheit, „sehen, was wird“.

Die dritte Runde schließlich ist die berühmte „Hausrunde“, der gute Geist geht einmal am Tag um sein Haus.

Die Runde ums Haus wird eine Runde im Kopf. Ich muss mich anstrengen. Du musst dich anstrengen, er sie es muss sich anstrengen. (56)

Die Einladung zur Anstrengung lässt sich als Sprachspiel mit sich allein für alle Konstellationen durchkonjugieren.

Solcherart mit der Sprachanwendung beschäftigt, breitet sich eine neue Offenheit im Kopf aus. Der Denker blickt an sich hinunter und sieht, wie er gerade den Einkauf nach Hause trägt. Das muss sein, will man anderntags am Container wieder Flaschen einwerfen zur Beruhigung.

Diese letzte Runde ums Haus führt heute zur Erkenntnis: „Alles braucht seinen Ort!“ (61)

Lukas Meschik überzeugt doppelt: Einmal ist die Bewegung des Erzählkörpers so einladend gestaltet, dass man sich als Leser gerne anschließt für den Gang der Klärung, Information und Zuversicht. Zum andern sind die kleinen Erzählbausteine untereinander kompatibel wie die Buchstaben des Setzkastens, es lassen sich gute Wörter und Ideen daraus zusammenstellen. – Eine leise, animierende Essayroute, die da ausgelegt ist.

Lukas Meschik, Einladung zur Anstrengung. Wie wir miteinander sprechen
Innsbruck: Limbus Verlag 2021, 61 Seiten, 8,00 €, ISBN 978-3-99039-215-7

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Lukas Meschik, Einladung zur Anstrengung
Wikipedia: Lukas Meschik

 

Helmuth Schönauer, 07-01-2022

Bibliographie

AutorIn

Lukas Meschik

Buchtitel

Einladung zur Anstrengung. Wie wir miteinander sprechen

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2021

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

61

Preis in EUR

8,00

ISBN

978-3-99039-215-7

Kurzbiographie AutorIn

Lukas Meschik, geb. 1988 in Wien, lebt in Wien.