Semir Insayif / Martin Hornstein, Libellen Tänze

Buch-Cover

Die Libelle ist ein aufregendes Tier, Zoologen schwärmen von ihr, Aviatiker nehmen sie als Vorbild, wenn sie neue Helikopter entwerfen, und Poeten sind ganz hingerissen von der Fähigkeit, Stillstand und Flug in einen optischen Kopulationssound zu verpacken.

Kein Wunder also, dass der Kommunikationspoet Semir Insayif und der Cellist Martin Hornstein die Tänze der Libellen als Inbegriff für das Zusammenspiel von Wort und Musik empfinden.

Ausgangspunkt sind die Cellosuiten Johann Sebastian Bachs, die auf der CD einmal ?heruntergespielt? werden, wie man so schön im Volksmund sagt. Wenn sich das Ohr an die mathematisch korrekten Abfolgen der Töne gewöhnt hat, kommt das Auge zum Zug. Eine Ur-Partitur ist als Stammgedicht über alle Texte gespannt. Damit man beim Lesen immer die Über-Form im Auge hat, ist dieses Stammgedicht als Lesezeichen eingefügt und wandert so von Untergedicht zu Untergdicht.

?so hebt ein körper sich hinauf ins blau / worauf verwebt ein tropfen schwarz als band / im flügel teich erhitzt lebt licht verwandt / ein prachtsmaragd erbebt durchblitzt vom tau / ganz auf zu tauchen still in harz gebannt / libellen tanz im taumel flug vermählt?

Diese Sub-Gedichte sind wie die Suiten Bachs ausgeführt, Prelude, Allemande, Courante undsoweiter. Da es immer darum geht, diesen ewigen Libellenzustand zu transportieren, sind die Gedichte angefüllt mit so genannten Zeitwörtern des Verweilens, dadurch stehen die Zeilen tatsächlich gleichsam in der Luft. Während der Cellist diese Gedichte als gigantische Hommage an Johann Sebastian Bach interpretiert, legt der Kommunikationspoet ein Schäufelchen drüber und drunter.

Als Verbal-Banner oder poetisches Dauer-SMS läuft am Boden der Seiten jeweils eine lyrische Zeile mit, während am Kopf die Dekonstruktion des Gedichtes notiert ist. Auf den ersten Blick wirken diese Reduktionsgedichte verstümmelt, aber beim zweiten Lesen merkt man den Gewinn, der durch diese Verknappung entsteht. Die Texte liegen schließlich als akustische Endlager auf der CD gespeichert, wobei natürlich die verstümmelten Gedichte gewöhnungsbedürftig sind, schwappt doch der poetische Höreindruck anfangs in ein semantisches Krachen über.

In einem Nachwort werden die raffinierten Verfahrensweisen dieses poetischen Großversuchs genau aufgelistet, Musiker, Komponisten, Lyriker und Poetologen kommen hier intellektuell voll auf ihre Rechnung. Selbst das benützte Cello hat als Teil des poetischen Ausdrucks ein Recht auf genaue Beschreibung, und erst recht der Bogen, der die Saiten streicht. Die Saiten ihrerseits sind dabei so etwas wie geheime Suiten, im konkreten Fall sind A und D aus nacktem Darm, während G und C als mit Silber und Wolfram umsponnene Grunddärme ausgeführt sind.

Libellen Tänze sind ein ästhetisches, poetisches und intellektuelles Kommunikationskunstwerk, das die Leser und Hörer ausgiebig und intensiv zu beschäftigen weiß.

Semir Insayif / Martin Hornstein; Libellen Tänze. Sechs Suiten.
Innsbruck: Haymon 2004. 72 Seiten. 1 CD. EUR 29,90. ISBN 3-85218-454-1.

 

Helmuth Schönauer, 28-11-2004

Bibliographie

AutorIn

Semir Insayif / Martin Hornstein

Buchtitel

Libellen Tänze. Sechs Suiten

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Haymon

Seitenzahl

72

Preis in EUR

EUR 29,90

ISBN

3-85218-454-1

Kurzbiographie AutorIn

Semir Insayif, geb. 1965, lebt als Kommunikationstrainer in Wien.

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