Reinhold Aumaier, Augenausfischerei

Buch-CoverEin Kalauer ist immer auch ein Beweis von Kühnheit, bei einem guten Kalauer staunt das Publikum eher über den Anwender, als über dessen Sager. Man erwartet sich einen bestimmten Satz, weil er quasi auf der Zunge liegt, und ist dennoch erstaunt, wenn er wirklich in der erwarteten Form kommt.

Reinhold Aumeier hat für seine Augenausfischerei eine komplette Literaturgattung erfunden "das Konglomerat". Dieser aus der Erdkunde übernommene Begriff beschreibt recht gut einen zusammengepressten Satzballen, perfekt verdichtet und luftlos aneinandergepresst donnert das Sprachkonglomerat durch das Buch, vorne hinein und hinten heraus wie eine gewaltige Lawine.

Die einzelnen Sätze gehen völlig logisch ineinander über, und dennoch ist man als Leser Seite für Seite verblüfft, wo man durch diese semantischen Abschneider beschleunigt schon wieder gelandet ist.

Zart koste ich ihr Elfenbein ? erinnert sich der Märchenonkel im Rahmen seiner Niederschrift von Augenblicken, die man nicht vergisst. Ich kack noch schnell, Mami, okay? 48.000 Zuschauer hätten Platz gehabt, 3.758 zahlende Zuschauer waren da, vermerkte trocken der Spielbericht. (54)

Ein an und für sich kitschiger Satz über die Zartheit wird sachlich stabilisiert durch die Niederschrift eines Märchenonkels, ein spontan rezipierendes Kind kackt auf diese Sätze vor einem grandiosen Stadion, das aber wegen der mangelnden Vorstellung nur minimal gefüllt ist. Diverse Textgattungen, Zitate aus beliebigen Tagesabläufen, Wechsel von Plausibilitätsstufen fräsen sich durch das Giga-Konglomerat, in welche alle User des Alltags eingeschlossen sind. Der Text ist auch eine Befreiungsaktion für unsere aufgestauten Sätze, die durch Gegen-Sätze angebohrt und kontaminiert werden.

Nach knapp achtzig Seiten stoppt jäh die Satzflut und in einem kleinen Textaquarium spricht ein so genannter Augenfisch, er destilliert das bisher Gesagte auf ein Zehntel zusammen. Aber nicht genug, in einer mathematischen Verkürzungsreihe reduziert eine geschlechtslose Agens das Brät auf eine halbe Seite und der völlig eingedickte Ursatz wird schließlich einem unbekannten "An" zugeschrieben und lautet recht resignativ: "Geh, hab mich doch gern" "aber bitte bleib da." (94)

Reinhold Aumeier ist ein unbarmherziger Erzähler, er nistet sich als Zwischenwirt im Leser ein und erzählt mit dessen Verdauungssäften alles in beschleunigter Form zu Ende, dabei geht es um pure Wahrheit, eben um präzise Augenausfischrei.

Reinhold Aumaier: Augenausfischerei. Konglomerat.
Klagenfurt: Ritter 2004. 94 Seiten. EUR 13,90. ISBN 3-85415-357-0.

 

Helmuth Schönauer, 07-02-2005

Bibliographie

AutorIn

Reinhold Aumaier

Buchtitel

Augenausfischerei. Konglomerat

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Ritter

Seitenzahl

94

Preis in EUR

EUR 13,90

ISBN

3-85415-357-0

Kurzbiographie AutorIn

Reinhold Aumaier, geb. 1953 in Linz, lebt in Wien.