Lina Hofstädter, Bergiselschlachten

Buch-CoverAh, was für ein Titel! Nicht bloß eine Schlacht wird in diesem Krimi geschlagen, sondern wie in der Geschichte des Tiroler Freiheitskampfes ein ganzes Bündel!

Eine groß angelegte Schlachtenorgie verbaler und physischer Art bildet den Hintergrund für diesen Lokalthriller gigantischen Ausmaßes, und nicht alle Gefechte gehen für die Beteiligten gut aus. Man denke nur an die klassische Vierte Bergiselschlacht, in der die Tiroler ordentlich Dresch bekommen haben und die sie in der Folge aus ihren Gedächtnissen verbannt haben.

Lina Hofstädter erzählt augenzwinkernd von überdimensionierten Fällen, die eingezwängt sich auf allzu kleinem Raum nur mit Ächzen und Furzen entfalten können. Am heiligen Berg der Innsbrucker, dem sagenumwobenen Bergisel, findet ein Obdachloser eine Hand, die aus einem Fundament für die neue Bergiselsprungschanze heraus schaut. In Tirol wird immer eine Leiche oder etwas Verdrängtes gefunden, so bald man auch nur am Boden zu scharren beginnt, der Ötzi ist dabei nur die Spitze vergrabener Biographien.

Am Bergisel ist natürlich Mordalarm angesagt, das heißt in der Provinz, dass Lokalreporter eine Geschichte voller Mutmaßungen auftischen und die üblichen Verdächtigen verhaftet werden. Der nächst beste Sandler, wie Obdachlose in Innsbruck genannt werden, wird stracks verhaftet, es dürfte sich um einen Vorarlberger handeln, denn er redet ziemlichen Selftalk voller Dialekt und sagt zu allem "han", was "haben" bedeutet.

Die lokale Zeitung schickt die nächst beste Aspirantin, weil an diesem Fall alles richtig ist, wie immer auch der Text lautet. So erlebt der Leser wahnsinnigen Dialekt und wahnsinnige Berichterstattung in einem Aufwaschen, was der Authentizität des Falles aber gut tut.

In die Klammer zwischen der Öffentlichen Diskussion und privater Recherche sind mannigfaltig Geschichtchen und Possen aus der Provinz eingeflochten. Das Leben im Schatten der Schanze des Tourismus, die große Dunstglocke der Ausgegrenzten, die unter den Wahrzeichen der Stadt ihr Dasein fristen, die seltsamen Argumentationsketten in Lokalzeitungen, die Karrierelust junger Journalistinnen und die allwissende Kompetenz eines Unidozenten, der den Fall schließlich in unerwartete Lichtungen führt - dies alles treibt den Leser mit leicht überhöhter Geschwindigkeit durch die Gestätten des Geschehens. Und das satte Volumen des fetten Krimis flutscht durch die Leserhände wie das sprichwörtliche Butterbrot aus alpinen Urzeiten.

Lina Hofstädter hat einen ungewöhnlich zackigen, schnarrend witzigen und possierlichen Untergrundroman geschrieben, der dem Genre schräger Krimi-Heimatroman alle Ehre macht. Aufklärung und Ende des Falles werden hier nicht verraten.

Lina Hofstädter: Bergiselschlachten. Kriminalroman.
Innsbruck: Kyrene 2005. 425 Seiten. EUR 15,90. ISBN 3-900009-20-1.

 

Helmuth Schönauer, 30-11-2005

Bibliographie

AutorIn

Lina Hofstädter

Buchtitel

Bergiselschlachten

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Kyrene

Seitenzahl

425

Preis in EUR

EUR 15,90

ISBN

3-900009-20-1

Kurzbiographie AutorIn

Lina Hofstädter, geb. 1954 in Lustenau, lebt in Sistrans.

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