Marie-Thérèse Kerschbaumer, Wasser und Wind

Buch-Cover

Wasser und Wind sind kaum beschreibbare Urelemente, wenn sie auf die Haut treffen. Wasser und Wind können Geschichten begleiten, aber um diese Elemente halbwegs zu fassen, kann nur die Gedichtform helfen.

Marie-Thérèse Kerschbaumer nimmt das stärkste sprachliche Werkzeug zur Hand, um die Gewalten in Zeilen zu zähmen. Der Ton ist oft imposant, elegisch, euphorisch angehoben. Manches mal nehmen die Anrufungen kein Ende und dauern so lange, bis etwa der Wassertropfen von seiner Quelle am Ziel seiner Verdunstung angelangt ist.

Die Sammlung aus knapp zwanzig Jahren ist in sechs mit römischen Ziffern antik-schlicht durchnummerierte Kapitel gegliedert, in welche sechs bis acht Langgedichte eingezäunt sind.

Nach der Anrufung des Wassers werden Rauch, Lavendel, Wind und Garten mit dem Sprachsegel eingefangen. Das Verrinnen der Zeit kommt in Gedichten wie Schlaflied, Windwärts oder Gesang der Saligen zum Ausdruck.

Aus einer einzigen Zeile von Francesco Petrarca stürmt ein heftiges Gedicht und durchfegt letztlich ein ganzes Feld mit Leibern, Licht und Geäst, ausgehend vom Zitat:

Allein und in Gedanken auf verlassenen Feldern. (38)

Das fünfte Kapitel ist als Oratorium ausgeführt, „Höre Seele“ rieselt als ständig angehaltener Sprachstrom in die unendliche Tiefe des Universums hinab.

Das letzte Gedicht ist dem 2005 verstorbenen Südtiroler Autor Gerhard Kofler gewidmet und hebelt für einen kurzen Augenblick tatsächlich den Tod aus.

Wenn uns die Toten / raten könnten, / würden sie sagen / habt keine Angst? // Was uns die Toten / verraten könnten / glaubten wir es / und wären nicht bang? // Wessen die Toten / entraten können, / werden wir wissen / über kurz oder lang … (94)

Obwohl die einzelnen Gedichte spitz sind wie Stachel aus fernen Jahrhunderten, geht von diesem Gedichtband vor allem eines aus: Zeitlosigkeit als der wahre Haltegriff durch alle Zeiten!

Marie-Thérèse Kerschbaumer ist eine Meisterin dieser Zeitlosigkeit, sie setzt Jahrhunderte alte Verse im richtigen Winkel zur Gegenwart und vermisst die Bilder mit den poetisch-geometrischen Einheiten von Wasser und Wind.

Marie-Thérèse Kerschbaumer, Wasser und Wind. Gedichte 1988-2005.
Klagenfurt: Wieser 2006. 94 Seiten. EUR 17,-. ISBN 978-3-85129-595-5.

 

Weiterführende Links:
Wieser-Verlag: Marie-Thérèse Kerschbaumer: Wasser und Wind
Wikipedia: Marie-Thérèse Kerschbaumer

 

Helmuth Schönauer, 29-06-2006

Bibliographie

AutorIn

Marie-Thérèse Kerschbaumer

Buchtitel

Wasser und Wind. Gedichte 1988-2005

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Wieser

Seitenzahl

94

Preis in EUR

EUR 17,-

ISBN

978-3-85129-595-5

Kurzbiographie AutorIn

Marie-Thérèse Kerschbaumer, geb. 1936 nahe Paris, Lehrjahre in Tirol, lebt in Wien.

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