Gerhard Fritsch, Katzenmusik

Buch-Cover

Wollte man in der Kürze eines SMS-Dreizeilers das Wesen Österreichs beschreiben, so würde man wahrscheinlich die Wörter „rosa“, „süß“ und „Punschkrapfen“ verwenden.

Die präziseste Darstellung in der österreichischen Literatur stammt aus dem Romanfragment Katzenmusik von Gerhard Fritsch:

Ich sehe Tortenpapier. Wie es an Punschkrapfen klebt, aus Sargfugen hängt, um Altäre getan, von Serviermädchen umgebunden wird. Wer die Musik nicht hört, hält die Tanzenden für wahnsinnig.

Der unvollendete Roman aus der Zeit um 1968 ist mit einem hilfreichen Nachwort von Robert Menasse jetzt neu aufgelegt erhältlich. Im Nachwort empfiehlt Menasse, den Text als bewusst inszenierte Literaturlandschaft zu lesen.

Erst jetzt nach beinahe vierzig Jahren begreift man als Leser, wie kühn „Katzenmusik“ eigentlich angelegt ist. Der Text wendet sich an den Leser, schiebt einen Erzähler vor, der sich Figuren ausdenkt, lässt einen Ghostwriter eine Dissertation für jemand anderen schreiben und stellt nicht nur das Thema „Der Kurort in der Literatur“ als Fiktion hin sondern fiktionalisiert gleich das ganze Umfeld, ja ganz Österreich.

In einem Heilbad voller dekadenter Kurgäste wird dem Gnadenbild gefrönt, die Vergangenheit mit der hitlerschen Schwurhand heraufbeschworen, dem Kleingeist gehuldigt und zwischen geschlechtsloser Sexualität von Bubi-Figuren die Fremden-Verkehrs-Saison abgewickelt.

Durch subtile Anspielungen, die eher wie Löcher in einem porösen Schlauch anmuten, kommt der Zeitgeist daher, ein gewisser Justizminister Klecatsky will die Pressefreiheit einschränken und die Religion stärken, ein Doktorvater namens Tanzher erinnert in seinem Singsang auf die braune Vergangenheit verdammt an einen Innsbrucker Germanisten.

Die Dissertation kommt zu keinem Ende, das Sexualleben bricht ab und entzwei, Bubi hängt sich auf.

In den Roman ist eine Kernzone „Katzenmusik“ eingeschmolzen, worin die gängigsten Umgangsformen mit der österreichischen Provinz dargestellt sind:

  • skurril-doofe Personen steigen ab und gastieren als Adabeis
  • Worthülsen der perversen Sexualsprache und der näselnden Hofratssprache haben das gleiche Kaliber
  • ein Trivialroman über einen Kurort zeigt am besten das Österreichische Wesen auf
  • sexuelle Perversion wird mit gekonnter Rechtssprechung zurechtgebogen
  • eine gefälschte Dissertation erklärt ein Fake am besten
  • Ohrwürmer (Es wird Nacht Senorita) machen jede Zeit unvergessen
  • die besten Küsse schmecken nach Trachtenkostüm
  • wenn der Stoff auf Illustriertenniveau präsentiert wird, ist der Schmöker abgeschlossen

Katzenmusik ist ein Meilenstein der Österreichischen Literatur, geschmeidig, mit falschen Tönen und devot schnurrend schmiegt er sich an die jeweilige Lektüregegenwart an.

Gerhard Fritsch, Katzenmusik. Mit einem Nachwort von Robert Menasse. [EA: Salzburg: Residenz 1974].
Frankfurt/M: Suhrkamp 2006. ( = st 3780). 125 Seiten. EUR 6,50. ISBN 978-3-518-45780-1.

 

Weiterführende Links:
Suhrkamp-Verlag: Gerhard Fritsch, Katzenmusik
Wikipedia: Gerhard Fritsch

 

Helmuth Schönauer, 05-07-2006

Bibliographie

AutorIn

Gerhard Fritsch

Buchtitel

Katzenmusik

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Suhrkamp

Seitenzahl

125

Preis in EUR

EUR 6,50

ISBN

978-3-518-45780-1

Kurzbiographie AutorIn

Gerhard Fritsch, geb. 1924 in Wien, Autor, Lektor und Bibliothekar, starb 1969.