Gerhard Kromschröder, Ach, der Journalismus

Buch-CoverGroße Journalisten lassen sich zwar nicht mit einer Zauberformel verkürzt darstellen, aber man verbindet ihr aufregendes Werk leichter mit dem eigenen Leben, wenn es eine Lebensformel zwischen Journalismus und dargestellter Welt gibt.

In den Theodor-Herzl-Vorlesungen an der Universität Wien geht es immer um Meilensteine des Journalismus. Peter Huemer hat darin beispielsweise nachgewiesen, warum das Fernsehen dümmer ist als das Radio. Seine Lebenserkenntnis lautet, sobald du als Journalist über deine Verhältnisse wohnst, bist du käuflich und gekauft.

Gerherad Kromschröder, bekannter Reporter bei Stern und Pardon, stellt die Arbeit in einer fuzzigen Lokalzeitung als das Nonplusultra hin. Wie in einer Nussschale spiegelt sich in der lokalen Szenerie die große Welt, und keine Nuss ist härter als die provinzielle. In abgeklärter Beobachtung geht es um seine Lehrjahre bei der Ems-Zeitung.

Das Emsland ist dieses öde Stück links oben auf der deutschen Wetterkarte, besteht aus Moor und Kanälen. Als der Autor in den 60er Jahren mitten im Wirtschaftswunder in eine der lokalsten der lokalen Zeitungen eintritt, ist ihm die Feindschaft der bodenständig-konservativen Regionalpolitiker gewiss. Nach einigen Jahren unbarmherzig liberalen Journalismus, wobei besonders das Freilegen verdrängter KZs im Moorland zu einem Stachel der Erinnerung wird, lässt ihn die Zentrale fallen und Kromschröder geht voll ausgebildet und scharf gemacht vom Land nach Hamburg in die Stadt.

In den Vorlesungen geht es um Journalismus am Lande, um verdeckte Recherchen des investigativen Journalismus, um den Bedeutungsrausch im Magazinjournalismus und um die Krisenreporter, die neuerdings als „embedded journalists“ halb kämpfend und halb gekauft regierungstreue Bilder aus dem Irak senden.

Die Geschichten aus der Werkstatt zeigen, wozu Journalismus fähig ist, wenn das Handwerk beherrscht wird und mit der Geduld zur lokalen Feinheit die Unbestechlichkeit garantiert ist.

In einer versteckten Entsorgungsaktion werden beispielsweise Fässer mit unbekanntem Inhalt abgelagert. Obwohl alle offiziellen Müllstellen die Fässer annehmen, lügen sie vor, dass sie streng kontrollierten. „Als ich ein Türke war“ zeigt die Kultur ehemals gefeierter Gastarbeiter im Halbschatten der Ghettos und des interkulturellen Zwischenlandes. Bei einem Familientreffen der Nazis geht es schließlich heiß her, da die Tarnung ständig auffliegt.

Ich bin Journalist geworden, weil es zum Dichter nicht gereicht hat. (15)

Und trotzdem entsteht bei Gerhard Kromschröder letztlich Dichtung, weil er nie jenen nach dem Munde schreibt, denen er als Journalist auf die Finger zu schauen hat. „Vielleicht ist das oft geschmähte Lokale die Königsdisziplin!“ (30)

Gerhard Kromschröder, Ach, der Journalismus. Glanz und Elend eines Berufsstandes. Hrsg. Von Wolfgang R. Langbucher. Theodor-Herzl-Vorlesung.
Wien: Picus 2006. 152 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-85452-616-2

 

Weiterführende Links:
Picus-Verlag: Gerhard Kromschröder, Ach, der Journalismus
Wikipedia: Wer ist Gerhard Kromschroeder

 

Helmuth Schönauer, 25-10-2006

Bibliographie

AutorIn

Gerhard Kromschröder

Buchtitel

Ach, der Journalismus. Glanz und Elend eines Berufsstandes

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Picus

Herausgeber

Wolfgang R. Langbucher

Reihe

Theodor-Herzl-Vorlesung

Seitenzahl

152

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-85452-616-2

Kurzbiographie AutorIn

Gerhard Kromschröder, geb. 1941 in Frankfurt, Reporter bei Ems-Zeitung, Stern, Pardon, lebt in Hamburg.