„Mit dem vorliegenden Werk sollen Glaubwürdigkeit und Geltungsansprüche des theistischen Welt- und Gottesbildes – paradigmatisch in seiner christlichen Variante – unter Berücksichtigung natur- und geisteswissenschaftlicher Aspekte hinterfragt werden.“ (7)

Überaus detailliert und kenntnisreich setzt sich Peter Kamleiter mit der Geschichte aufklärerischen naturwissenschaftlichen Denkens als Gegensatz zu den Welterklärungsmythen der Religionen auseinander. Dabei zeigt er am Beispiel der christlichen Religion auf, wie die Glaubensvorstellungen durch die zunehmenden Erkenntnisse in den Naturwissenschaften in die Defensive geraten und auf die Widersprüche zwischen diesen Erkenntnissen und den zentralen Glaubensinhalten reagieren.

In der archaischen Überlebensliteratur ist nie ein Satz zu viel vorhanden, deshalb kann man auch jeden Satz als Lebensprogramm anerkennen.

Katharina Winkler schafft etwas schier Unmögliches, sie überlässt ihre Heldin einer brutalen Welt voller Gewalt, die sich nur aushalten lässt, wenn die Schläge wie Sprichwörter inhaliert und devot nachgebetet werden.

„Liegen bleiben“ ist ein Ausdruck, der aufs Erste das Österreichische perfekt zum Ausdruck bringt. Eine Arbeit bleibt liegen, ein Beamter entschließt sich, heute liegen zu bleiben, ein Projekt bleibt liegen, Fahrzeuge bleiben liegen, etwas wird weggeworfen und bleibt liegen.

Stefan Schweiger geht mit seiner Liegen-Bleib-Prosa noch ein Stück über das Österreichische hinaus, er behandelt nichts anderes als den Schöpfungsbericht und die Evolution, die in ihrer Entwicklung liegen bleiben und in einem vor-evolutionären Zustand irgendwo bei den schwarzen Löchern des Universums enden. Dabei durchbohren die knallhart reduzierten Formulierungen jedes Gestein, jede Gedankenmasse, jeden Teil des Universums.

Ein aufregender Essay fragt nicht lange und reißt den Leser mit kurzen Denkbewegungen Oktopus-mäßig in den Schlund des Nachdenkens.

Helmut Rizy kümmert sich um diese Haltungsfronten, die schon immer quer durch den österreichischen Charakter gegangen sind. Wer ist literarisch gesehen im Exil, wer an der Front und wer denkt gar an Widerstand?

In der Lyrik ist nichts selbstverständlich, wenn man glaubt, eine Fügung würde etwas genau beschreiben, so liegt daneben eine noch genauere, die es noch genauer sagt.

Dine Petrik arbeitet in einem doppelten Veredelungsprozess. Zuerst wird der Stoff poetisiert, und dort, wo scheinbar schon die Gedichte fertig sind, kommen sie noch einmal ins Galvanisierungs-Bad und erhalten eine Zeit-feste Außenhaut. Wo man bereits mit Funken schlagen in die Gewissheit gelenkt wird, kommt eine neue Perspektive hinzu, der Titel der Gedichtsammlung heißt folglich richtig „Funken.

Oft sind es diese kleinen selbstbewussten Widerspruchswörter, die in einer Erzählung als strukturierte Alternativen hervortreten. Das Wörtchen „doch“ erinnert im besten Fall an ein dynamisches Kind, welches in den Boden stampft und „doch“ schreit, um ein Begehren vorzutragen.

In Annett Krendlesbergers knapp zwanzig Erzählungen treten Heldinnen und Helden auf, die an die Peripherie der öffentlichen Wahrnehmung gerückt sind und einmal noch kurz so etwas wie einen eigenen Willen kundtun, um den letzten Rest einer eigenen Identität zu dokumentieren. Dabei gerät dieses Aufbegehren manchmal in die Nähe einer Marotte, die erst recht wieder ohne Aufmerksamkeit weggewischt wird.

Nach einer recht einleuchtenden Vorstellung besteht der Sinn des Lebens im ständigen Erzählen dieses Lebens. Wenn alles fertig ist, setzt das Leben von sich aus den Schlusspunkt.

Gabriele Kögl wählt für ihre monologische Erzählung „Höllenkinder“ eine Bäuerin als Heldin, die anlässlich des achtzigsten Geburtstags ihr Leben abarbeitet. Die Feierlichkeiten sind eine Bedrohung des geordneten Lebens, denn feiernde Angehörige und Jubiläumskind sind völlig überfordert. Es wird der übliche Tamtam aufgeboten, Essen, kleine Basteleien, Fotos, Floskeln, niemand fühlt sich so recht wohl in seiner Haut, weil es keine verlässlichen Rituale gibt, die so einen Geburtstag als Lebensbilanz erträglich machen könnten.

In den Nachfolgestaaten der Sowjetunion werden die letzten Jahre des Imperiums als „Moskauer Jahre“ bezeichnet, damit kann man zeitgenössisch präzise sein und dennoch die Gefühlsdistanz zur alten Mutter Hammer-Sichel kundtun.

Julia Kissina schickt ihre Heldin Elephantina als angehende Künstlerin von Kiew in die Hauptstadt Moskau, wo sich im halboffiziösen Untergrund eine geradezu phantastische Künstlerszene entwickelt hat. Elephantina klingt ja selbst schon wie eine Heldin aus einer angerauchten Gegend, ihr Geliebter ist Tomaterich. So wie sich die Helden der Revolution Künstlernamen wie Lenin oder Stalin gegeben haben, benützen jetzt auch die Künstler ihre Kampfnamen der Phantasie.

In einem geordneten System wie der Medizin, der Pädagogik oder der Literatur geht man davon aus, dass etwas beabsichtigt wird, und „daneben“ können unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Nun wissen aber gewiefte Mediziner, Lehrer und Autoren, dass es besser ist, Haupt- und Nebenwirkung zu vertauschen, um das Ziel zu erreichen.

Ludwig Roman Fleischer untersucht in seinen literarischen Fallbeispielen knapp zwanzig solcher Nebenwirkungsfälle, die naturgemäß dermaßen skurril und „entrig“ ausgehen, dass man wahrscheinlich bei keinem Gericht der Welt den Schaden einklagen kann. In der Hauptsache ist es das System, das die Sachen vertauscht und etwa Fußnote mit Überschrift verwechselt.

Lebensentwürfe zeigen ihre wahre Größe erst, wenn sie am Nullpunkt angekommen sind. Erst wenn die Helden ihrer Ideen-Verkleidungen beraubt sind, können sie auf ihre tatsächliche Überlebenskraft zugreifen.

Karoline Cvancara ist mit dem Roman „Am Tiefpunkt genial“ ein perfektes Kammerstück aus dem Wiener Bobo-Grätzl Josefstadt gelungen. Auf engstem Raum ist alles vorhanden, was man zum Glücklichsein braucht. An allen Ecken und Enden sind diese kleinen Geschäfte, die sich unter der Globalisierungshaube wegducken und Wärme und Menschlichkeit verbreiten. Die Griechen und Italiener und sonstigen Lokale sind alle „klein und angenehm“, man isst in kleinen Portionen und trinkt dazu in kleinen Schlucken, bis man dann doch den großen Fetzen ausgefasst hat.