Inspektor Matteo ist einer der seltenen Ermittler im Krimi-Genre, die gerne ihre Arbeit tun, mit der Bevölkerung in positiver Verbindung stehen und den Grant zuerst an sich selber auslassen, ehe sie ihn anderen überkübeln. So gesehen freut man sich bei Matteo auf jeden Fall, denn auch wenn es um Mord und Totschlag geht, geht es immer auch um ein zivilisiertes Zusammenleben in der kleinen Gebirgsstadt Landstein.

Dietmar Wachter schickt seinen Aufdecker zuerst in den Alltag, wo gerade ein Bergbauer und Sonderling irgendwie harmonisch gestorben ist, „grabbereit“ oder „grabreif“, wie es die Tochter Mateos ausdrückt. Dieses friedliche Sterben kann freilich nicht darüber hinweg täuschen, dass oft hinter den unauffälligsten Todesfällen die heimtückischsten Mordanschläge stecken.

Die Frage nach dem sogenannten Erzählstandpunkt führt Autoren oft direkt ins Meldeamt, wo sie beinahe amtlich festlegen, wo sie wohnen.

Für Franz Tumler sind die Vorgangsweise beim Erzählen, der Ausgangspunkt der Beobachtungen, die Analyse der Vorgänge beim Recherchieren von elementarer Bedeutung. Im Verlaufe der Nachkriegszeit ist er allmählich und in kleinen Schritten in Berlin zu siedeln gekommen. So bekommt der Text „Hier in Berlin, wo ich wohne“ aus dem Jahr 1961 eine politische Bedeutung, der Autor pflanzt seinen Identitätsmittelpunkt nach Berlin.

Ein Leitsystem, das den Verleiteten nicht klar ist, führt diese in die Irre.
Anne Marie Pircher setzt in ihren neun Erzählungen über Um- und Ausstiegssituationen die Protagonisten jeweils einer besonderen Umgebung aus, worin die Koordinaten noch nicht vermessen sind, sodass die Situation samt Held und Umfeld in einen Schwebezustand gerät.

In der Titelerzählung „Zu den Linien“ wird ein erzählendes Ich in einer fremden Stadt von permanenten Hinweisen, Leitsystemen und Umsteigemöglichkeiten verleitet. Eine Frau konzentriert sich auf einen Blinden, der U-Bahn fährt. Sie versucht das Sichtbare auszublenden und sich auf Geräusche und Gerüche zu konzentrieren. An den Stationen werden verschiedene Linien ausgerufen, die als bloße Ziffern oder Buchstaben erscheinen.

Für die Aufnahme in den literarischen Klassiker-Kreis braucht es zwei Voraussetzungen: Das Werk muss für Lehrer, Schüler und das Schulwesen gut aufbereitet sein und das Werk muss für die Leserschaft griffbereit und zugänglich sein. Beides ist bei Anita Pichler momentan der Fall, wie im Nachwort stolz vermerkt wird.

Anita Pichlers Erzählung „Wie die Monate das Jahr“ handelt vor allem vom Driften, Abtauchen und Neu-Erwecken einer Geschichte durch die Zeiten und Jahreszeiten. Im Kern geht es um eine kaputte Liebesgeschichte, die anhand einer Abenteuerbiographie aus fernen Zeiten aufgefangen und restauriert werden soll.

Jedes Buch löst in der Leserschaft Reaktionen aus, aber darüber hinaus ergibt sich auch ein Wechselspiel zwischen Leseambiente und Lektüre. Ein Buch über das Sterben wirkt in einem Umfeld voller Apps wischender Kids und in Krimis blätternden Bobos geradezu elementar herausragend.

Der Arzt, Philosoph und Fiktionalist Günther Loewit hat nämlich ein kleines Handbuch über das Sterben geschrieben, worin Elemente eines Sterbe-Lexikons, Fall-Geschichten und Essays zu einem logischen Grundgedanken verknüpft sind. Wenn wir schon über die Geburt halbwegs ausgelassen mit Bräuchen und Feiern herziehen, könnten wir dann nicht auch das Sterben in Würde und Freiheit ins Auge fassen.

In einer Gesellschaft, wo das Vermehren von Kapital als das Non-plus-Ultra des Lebensglückes gilt, versuchen es einige auch mit dem Vermehren der eigenen Identitäten.

Erich Ledersberger versammelt in seinen je nach Lesart neun oder sieben Kurzerzählungen Menschen an jener Kante, wo es vielleicht noch etwas Neues geben soll, in Wirklichkeit bloß noch der Sprung in den Abgrund bleibt.

Wenn drei außergewöhnliche Künste zusammentreffen, entsteht ein Ereignis, das weit über bloße Drei-D-Qualität hinausgeht.

Der reduktions-radikale Graphic-Novel-Meister Nicolas Mahler widmet sich in seinem Lulu-Fünfakter jener Asymptote, wo die Heldin immer auf das schwarze Quadrat ihrer Psyche stößt. In fünf Modellsituationen verwandelt sich Lulu mit Hilfe des Malers in die eigene Psyche und endet als schwarzes Quadrat.

Die Welt ist alles, was der Fallwind ist, sagt ein kauziger Typ über die Alpen, deren Haupt-Merkmal vielleicht der Föhn ist. Und egal wo Nord- oder Südtirol tagsüber politisch hin driften, nächtens fließt der Föhn und kratzt die Bewohner auf und bringt sie in Wallung.

Bernd Schuchters „Föhntage“ erzählen die Geschichte der Südtiroler lange nach der Option und den Bombenjahren als Geschichte eines Kindes, das allmählich hinter den Wahrnehmungen seltsame Zusammenhänge ausmacht. „Man kann so eine Kindheit nur in Bilder fassen“ (23), weshalb oft wie in einer Galerie die unterschiedlichsten Aquarelle neben einander hängen und vom Passanten zu einem Erlebnis zusammengesetzt werden.

Bei der Schmelze verändert sich der Stoff und geht vom festen in den flüssigen Aggregatszustand über. Auch in der Poesie gibt es so etwas wie Schmelze, wenn sich ein Stoff während des Erzählens verändert und als Prosa-Lava über die Seiten fließt.

Markus Lindner erzählt in knapp zwanzig Ansätzen von Stoffen, die harmlos daherkommen und jäh eine Verschärfung erfahren, von Helden, die während des Berichts traumatisiert werden und von Arealen, die während des Durchschreitens unbegehbar werden.

Wenn Tiere mehr als eine Sache aber weniger als ein Mensch sind, muss folglich auch unser Blick auf sie heftiger als auf Sachen aber weniger intensiv als auf Menschen ausfallen.

Bernhard Kathan vergleicht in seinem Essay diverse Ereignisse in Literatur, Forschung und Psychologie, die zu einem Aufeinandertreffen von Menschenblicken auf Tiere handeln. Während in der Erforschung des Faschismus der berühmte Denkansatz lautet „Tiere sehen dich an“, nimmt Bernhard Kathan den an und für sich neutralen Vorgang der Tierbeobachtung, um daran aufzuzeigen, welchen scheinbaren Menschenbildern wir dabei nachgehen.