Dem Roman „Ein guter Tag zum Fliegen“ ist ein Lesezeichen beigelegt mit der Zauberformel: „Ein guter Tag zum Lesen.“ - Die gute Witterung zum Abhauen aus der Schwerkraft lässt sich vielleicht mit Lesen bewerkstelligen.

Mathias Klammer faltet seinen Roman über einen tief sinnierenden Außenseiter in zwei Flächen auf. Im ersten Abschnitt, ein guter Tag zum Fliegen genannt, wühlt sich ein Erinnerungs-Ich durch die Kindheit und andere familiäre Krisen-Situationen und setzt sich intensiv mit der Todeskrankheit des Bruders auseinander.

Wie sich die sogenannte Freiheit in einer straff geführten Gesellschaft anfühlt, kann am besten jemand erklären, der gerade frisch aus dem Gefängnis entlassen worden ist.

E. W. Bichler schickt seinen Helden Kluibenschädel, der in mehreren existentiellen Abenteuern das Leben gemeistert hat, in eine durchaus an den Nerven zehrende Endzeit und schließlich in den Tod.

Zu Zeiten, wo sich größere Bevölkerungsschichten aufmachen, so etwas wie Bildung und Lebenssinn zu inhalieren, boomen gerne die Hauskalender und Schatzkästlein, worin für alle Stimmungs- und Lebenslagen gute Tipps nachzulesen sind.

Stefan Abermann greift diesen Bildungshunger nach Snack-Portionen und Apps auf und destilliert aus diversen Abenden des Poetry-Slams lebensnotwendige Texte für den Hausgebrauch heraus. Kurze Auftritte, die vor allem auf der euphorischen Tagesverfassung des Vortragenden aufbauen, werden im Schatzkästlein zu pragmatischen Anleitungen, mustergültigen Fallgeschichten oder Breitband-Medikamenten gegen allerlei Fährnisse des Alltags herunter gebrochen.

Gegenwelten haben immer etwas Geheimnisvolles, Subversives und Freches an sich. Jedes Kunstwerk hat ein Stück Gegenwelt in sich eingebaut womit es beweist, dass die jeweils gegenwärtige Welt auch ganz anders sein könnte.

Der gewaltige „Gegenwelten-Katalog“ begleitet Ausstellungen in Heidelberg, Innsbruck und Schloss Ambras sowie ein umfangreiches Symposium an der Theologischen Fakultät in Innsbruck im Jahre 2013. Neben unzähligen Theorien und Gedankenentwürfen besticht die Matrix, auf der die Ausstellung in Schloss Ambras aufgebaut ist. Zum einen sind die seismischen Entwürfe der Künstler jeweils Gegenwelten zur offiziell verwalteten und kartographierten, andererseits wird das Archiv zu einer Gegenwelt der Gegenwart, was immer es auch sammelt.

Noch mehr als bei üblichen Buchtiteln kommt es bei Gedichtbänden darauf an, im Titel bereits jene Poesie auszuleuchten, die in den Gedichten später aufgesucht wird.

Renate Aichingers Wortkosmos „wundstill“ erweckt sofort Bilder, die ins lyrische Herz treffen. Vielleicht kommt nach dem Schreien der Verwundeten in Trakls Grodek jene Stille auf, die wundstill ist, vielleicht ist es das Kind, das sich verletzt hat und jetzt wundstill gemacht ist, vielleicht ist es die Wunde, die einen ein Leben lang schon quält, und jetzt in eine Stille eingetreten ist hinter dem Pochen.

Gute Romane können sich einen Luxus leisten, der im Alltagsleben tabu ist: Die Wahrheit augenzwinkernd auszusprechen. „Geld ist genauso wichtig wie alles andere auf der Welt!“ (43) Wer geht als Leser nicht vor so einem Satz sofort bewundernd in die Knie.

Erika und Nora Wimmer haben in ihren Hypo-Roman schräge Figuren und geradlinige Ansagen gepackt. Bei einem Hypo-Roman geht es bekanntlich darum zu dechiffrieren, was unter den Floskeln des Zeitgeists liegt. Während also an der Oberfläche die Figuren ihre oft belanglosen Furchen ziehen, wuchert im Untergrund eine Gegenwelt heran.

Inspektor Matteo ist einer der seltenen Ermittler im Krimi-Genre, die gerne ihre Arbeit tun, mit der Bevölkerung in positiver Verbindung stehen und den Grant zuerst an sich selber auslassen, ehe sie ihn anderen überkübeln. So gesehen freut man sich bei Matteo auf jeden Fall, denn auch wenn es um Mord und Totschlag geht, geht es immer auch um ein zivilisiertes Zusammenleben in der kleinen Gebirgsstadt Landstein.

Dietmar Wachter schickt seinen Aufdecker zuerst in den Alltag, wo gerade ein Bergbauer und Sonderling irgendwie harmonisch gestorben ist, „grabbereit“ oder „grabreif“, wie es die Tochter Mateos ausdrückt. Dieses friedliche Sterben kann freilich nicht darüber hinweg täuschen, dass oft hinter den unauffälligsten Todesfällen die heimtückischsten Mordanschläge stecken.

Die Frage nach dem sogenannten Erzählstandpunkt führt Autoren oft direkt ins Meldeamt, wo sie beinahe amtlich festlegen, wo sie wohnen.

Für Franz Tumler sind die Vorgangsweise beim Erzählen, der Ausgangspunkt der Beobachtungen, die Analyse der Vorgänge beim Recherchieren von elementarer Bedeutung. Im Verlaufe der Nachkriegszeit ist er allmählich und in kleinen Schritten in Berlin zu siedeln gekommen. So bekommt der Text „Hier in Berlin, wo ich wohne“ aus dem Jahr 1961 eine politische Bedeutung, der Autor pflanzt seinen Identitätsmittelpunkt nach Berlin.

Ein Leitsystem, das den Verleiteten nicht klar ist, führt diese in die Irre.
Anne Marie Pircher setzt in ihren neun Erzählungen über Um- und Ausstiegssituationen die Protagonisten jeweils einer besonderen Umgebung aus, worin die Koordinaten noch nicht vermessen sind, sodass die Situation samt Held und Umfeld in einen Schwebezustand gerät.

In der Titelerzählung „Zu den Linien“ wird ein erzählendes Ich in einer fremden Stadt von permanenten Hinweisen, Leitsystemen und Umsteigemöglichkeiten verleitet. Eine Frau konzentriert sich auf einen Blinden, der U-Bahn fährt. Sie versucht das Sichtbare auszublenden und sich auf Geräusche und Gerüche zu konzentrieren. An den Stationen werden verschiedene Linien ausgerufen, die als bloße Ziffern oder Buchstaben erscheinen.

Für die Aufnahme in den literarischen Klassiker-Kreis braucht es zwei Voraussetzungen: Das Werk muss für Lehrer, Schüler und das Schulwesen gut aufbereitet sein und das Werk muss für die Leserschaft griffbereit und zugänglich sein. Beides ist bei Anita Pichler momentan der Fall, wie im Nachwort stolz vermerkt wird.

Anita Pichlers Erzählung „Wie die Monate das Jahr“ handelt vor allem vom Driften, Abtauchen und Neu-Erwecken einer Geschichte durch die Zeiten und Jahreszeiten. Im Kern geht es um eine kaputte Liebesgeschichte, die anhand einer Abenteuerbiographie aus fernen Zeiten aufgefangen und restauriert werden soll.