„Wenn von Südtirol die Rede ist, sprechen wir von der Welt als Ganzer. Die Südtiroler verstehen das auf Anhieb. Sie sind von der weltgeschichtlichen Bedeutung ihrer Heimat ohnehin überzeugt.“ (7)

Ulrich Ladurner, ZEIT-Journalist in Hamburg, geht in seinen Erzählungen liebevoll mit seiner Heimat Südtirol um, er legt vorsichtig Zeit- und Raumkoordinaten über das Land und erreicht dadurch eine Genauigkeit und Schärfe, die das Land aufblättern ohne es nackt zu machen.

Manchmal schwirrt ein seltsamer Begriff wie eine Zauberformel aus einem versteckten Reich durch die Literatur und lässt dem Leser keine Ruh, bis nicht die Lösung gefunden ist.

Roberta Dapunt überschreibt ihren Gedicht-Band mit Bildern mit der Zauberformel „Nauz“. Und was wie ein Märchenwort aus einer verspielten Kindheit klingt, ist nichts anderes als das ladinische Wort für Futtertrog.

In der Literatur gibt es zwei unversehrte Gebiete, in denen selbst das elementar Gefährliche erträglich und schön sein kann: nämlich die Kindheit und die Berge.

Peter Teyml erzählt von den beiden Glücks-Revieren Kindheit und Berg, worin die Figuren in Echtzeit unauffällig glücklich und in der Retrospektive gelassen und zufrieden agieren.

Ein Genre-Roman erzählt vor allem einmal sich selber, wie etwa die Fliesen ein Badezimmer erzählen. So ist im Prinzip jeder Hotel-Roman gleich gestaltet, obwohl jeder natürlich unverwechselbar originär sein mag. Und mit dem Villen-Roman verhält es sich ähnlich.

Gabriele Weingartners Roman Villa Klestiel ist auf den ersten Blick so etwas wie Vicky Baums „Menschen im Hotel“, nur dass sich die Begegnungen und Reibereien in einer Villa abspielen.

Wenn in konventionellen Situationen Geschichten auftauchen, die offensichtlich ungelegen kommen, dann werden sie meist mit den Befehlen verscheucht: „nicht hier“, „nicht jetzt!“

Mathias Klammer hat für seinen Erzählband elf Ereignisse zusammengetragen, die alle von diesem unpassenden Augenblick handeln, dass man gerade jetzt nicht damit zu tun haben will. Oft sind es Träume, die zur Unzeit kommen, manchmal schaut eine Depression ungefragt vorbei, aber auch die Liebe kommt überraschend aus der Hüfte heraus, sodass sich die Protagonisten in der ersten Reaktion zurufen: Nicht hier, nicht jetzt.

Manchmal ist eine Erzählsituation so eindringlich, dass man von der ersten Zeile an im Text eingegraben nach einer Lösung sucht.

Eingegraben in Erinnerung ist die Grundkonstellation des Erzählers in Franz Tumlers „Nachprüfung eines Abschieds“ aus dem Jahre 1961. In einem Haus, das eine Ruine ist, sitzt der Beobachter im Keller, schaut ins Freie und die Erd-Kante verläuft dabei in der Höhe des Mundes draußen zur Straße zu.

Manchmal wird ein unverwechselbares Arrangement an Orten festgemacht. Neben bekannten Speisen, die sich nach einer Stadt nennen und dadurch in aller Munde sind, gibt es auch architektonische Feinheiten wie etwa den spanischen Balkon.

Was aber hat es nun mit Berliner Zimmer in Ein- und Mehrzahl auf sich?

Manche Geschichten schaffen es spielend, eine Gegend oder einen gesellschaftlichen Landstrich unvergesslich zu porträtieren.

Josef Pedarnig nennt seine Textsammlung aus mehreren Jahren zusammengetragen schlicht Miniaturen. Damit spielt er schon auf das Hauptthema an: Was kann in einem entlegenen Soziotop ein Thema sein, wenn nicht eine Miniatur, und werden in der Entlegenheit nicht auch große Dinge zu einer Miniatur?

Das gibt es in der Literatur auch: Man liest und versteht nichts, weiß aber, dass es einen Sinn hat, was man liest.

Norbert Gerhold befasst sich mit dem größten Stoff, den sich ein Hirn ausmalen kann, nämlich dem Kosmos und seiner Komplementärmenge. In einer sympathischen Einführung entschuldigt er sich beinahe wegen des gigantischen Themas, denn eigentlich wollte er ursprünglich nur einen Brückenschlag zwischen Theologie und Naturwissenschaft leisten.

Zwischen Grönland und Patagonien, zwischen Tuwa und dem Tschad ist klar, wie ein repräsentativer Fotoband auszusehen hat. Zum Unterschied von einer Fahne oder einem Wappen, welche jeweils eine historisch-politische Minimalinformation absondern, ist ein RFB (Repräsentativer Fotoband) absolut ohne historische oder politische Information. Er hat nur eine Aufgabe: schön zu sein.

Im Falle Tirols, das ja in sich ja aus Schönheit besteht, wird ein Fotoband an manchen Stellen oft so schön, dass es auf der Netzhaut schmerzt, ehe das Bild zerschmilzt.