josef wallinger, kindheit in pradlDie affirmative Geschichtsschreibung versammelt die Menschen in ihrem biographischen Herbst und lässt sie schöne Geschichten aus der Kindheit erzählen. Dadurch wird die Vergangenheit erst einmal in eigene Worte gefasst und später zu einem Narrativ, das dem gesamten Leben einen Sinn gibt.

Josef Wallinger starte die Serie der Erinnerungen an Innsbruck mit seiner „Kindheit in Pradl“. Pradl ist dabei der Stadtteil östlich der Sill, der beinahe überall noch von Feldern umgeben ist. Der Autor empfindet seine Kindheits-Wohnung als Mittelpunkt der damaligen Welt, darum herum ist der Stadtteil Pradl aufgebaut. Das Volksschulkind schwebt ein paar hundert Meter die Hauptstraße der Pradler Straße entlang zur Volksschule, später erkundet das Kind die Umgebung, ehe es als Jugendlicher den Stadtteil auswendig gelernt und erobert hat.

daniel suckert, eigentlichEine der größten Errungenschaften der Erzählkultur ist die sogenannte romantische Ironie. Dabei tritt eine Figur aus ihrer Rolle heraus wie aus einem Kostüm und reflektiert über Fug und Unfug des eben Gesagten. Paradebeispiel dafür ist der gestiefelte Kater, der ein Stück gleichen Namens während der Aufführung kommentiert.

Eine ähnliche Ironie, wenn auch auf Basis des Alltagsgrusels, wendet Daniel Suckert in seinem Roman „Eigentlich“ an, worin es vordergründig um die Substanz des Alltags-Trashs geht.

elias schneitter, wie gehtsUm den Blick bis an den Rand des Ereignisses hinauszukriegen, muss der Betrachter vor allem gelenkige Augen haben. Denn wer immer nur starr auf das Zentrum und den Mainstream starrt, bekommt vom Rand nichts mit.

Elias Schneitter gilt als Vertreter der europäischen Beatniks, wie sich jene Generation nennt, die meist in den 1950er Jahren geboren ist und die Welt von klein auf in Randlage erlebt hat. In seiner aktuellen Sammlung stellt er diese typischen Fragen, die beiläufig an der Peripherie gestellt werden und zwischendurch eine Lawine von erschütternden Begebenheiten auslösen können. Wie geht‘s ist eine Frage, die meist gut ausgeht, wenn sie cool an der Oberfläche gehalten wird, aber wehe, man nimmt die Frage wörtlich.

norbert kaser, mein haßgeliebtes bruneckUm wirklich unsterblich zu werden, musst du zu einem Mythos mutieren. - Die Zeitgenossen eines Mythos sitzen Jahr für Jahr fassungsloser vor diesem Satz und rechnen ihr armseliges Leben mit siebzig gegen den aufregenden Mythos eines Helden auf, der schon beinahe ein halbes Jahrhundert tot ist.

norbert c. kaser hat sich genial in jenen Mythos hineingeschrieben, den seine Zeitgenossen von ihm verlangt haben. Er hat offensichtlich so genau die Südtiroler Seele getroffen, dass diese ihm zwar zu Lebzeiten nichts, anschließend aber alles an Anerkennung verpasst hat. Preise, Schulen, Vorlässe, alles, was die Romantik heroischen Helden zu bieten hat, ist für norbert c. kaser aufgeboten worden. Gerüchtehalber soll sogar der Haymon-Verlag als Vater aller Nachlässe nach dem toten Hund Kasers (Haymo) benannt sein.

margit helga hosp, auf flachen sohlen auf und davonHelden können es sich in der Literatur nicht aussuchen, an welchem Abenteuer sie groß werden möchten. Und heldenhafte Kinder können erst später im Leben ausmachen, welche Erlebnisse sie entscheidend geprägt haben.

Margit Helga Hosp führt in zehn Erzählungen markante Erschütterungen vor, die fürs erste nur der Ich-Erzählerin auffallen. Es sind dies kleine Verwundungen, Abfallspäne von Mobbing, romantische Ausreißer der Logik oder Dramaturgie-Vorgaben, die jede Heldin aus der Bahn werfen.

arno heinz, orient bluesEin Sprichwort sagt: In echten orientalischen Büchern lässt sich das Firmament am Umschlag berühren.

Arno Heinz hat seinen „Orient Blues“ in einen Blues-farbenen Leinenumschlag gesteckt, worauf nach einer Architekturskizze des Autors das Firmament als Stadtplan eingeprägt ist. Arno Heinz ist bekannt für seine Architekturarbeiten rund um das Mittelmeer, als Philosoph ist er so etwas wie ein Raum-Aufweiter, und als Lebensprogramm hat er etwas geschafft, wovon die meisten Tiroler nicht einmal zu träumen wagen, er ist aus dem Gebirge hinausgekommen!

Barbara tilg, den silberfaden spinnenBeeindruckende Bücher lassen der Leserschaft gar keine Zeit, über die Entstehungsgeschichte des Textes nachzudenken, sie sind einfach wichtig und da.

Barbara Tilg setzt dem poetisch-optimistischen Titel „Den Silberfaden spinnen“ eine beinharte Lebenswidmung entgegen. „Ich habe dieses Buch ist für alle geschrieben die krank waren oder sind. Ich möchte ihnen Mut machen, dass man wieder aufstehen und den Silberfaden des Lebens neu finden kann.“ (5) Durch diese Präambel kriegen die aufgegriffenen Themen, Bilder und Geschichten wie von selbst jenen stabilen Tiefgang, den es braucht, wenn man schon einmal einen Blick nach „enten“ geworfen hat, wie das im Volksmund so schön heißt.

Christoph Hölzl, Architekturführer InnsbruckWas das Familienalbum für die Angehörigen ist, ist der Architekturführer für die Stadtbewohner. Hier können die Zeitgenossen jeweils nachschauen, wie die Geliebten und Geschätzten beisammen sind. Denn Gebäude sind nicht nur die dritte Haut des Menschen, sondern auch ein Gegenüber, mit dem man diskutiert, indem man es betritt.

Ein Team des Archivs für Baukunst an der Universität Innsbruck hat ein Nachschlage-Bilderbuch über Innsbruck herausgebracht, in welchem knapp dreihundert Gebäude, deren Architekten, Auftraggeber und Benutzer aufgeschlüsselt sind. In der Gebrauchsarchitektur geht es um Bauten der Gegenwart, Gebäude, die es in den Überlebenskanon geschafft haben, gehen naturgemäß Jahrhunderte zurück.

selma mahlknecht, das weihnachtskänguruDas kennt man ja von den diversen Überraschungsbesuchen aus der Vorweihnachtszeit: der Korb mit der Schokolade ist schon voll und auch die Keksschüsseln stehen bereits im Badezimmer. Selbst auf dem Handy ist kein Platz mehr für eine Geschenks-App, sodass man sich spontan für das „Weihnachtskänguru“ als Mitbringsel entscheidet, das passt immer.

Selma Mahlknecht hat aus ihrem Buch von der Lebkuchenstraße die interessantesten Weihnachtsgeschichten ausgekoppelt und mit den Illustrationen von Armin Barducci zu einer kleinen Stimmungs-Aufhellung verpackt. In der Bilderwelt dürfen die Accessoires durchaus einmal eine kleine Schramme haben wie eine gebrauchte Weihnachtskugel, die Stimmung bleibt feierlich, auch wenn die einzelnen Schneeflocken sich erst die Hand reichen müssen für eine Schneedecke.

hubert flattinger_kindheit in höttingJede Stadt hat eine sogenannte Ur-Zelle, die als besonders authentisch und ungebrochen gilt. In Innsbruck nimmt Hötting dieses Privileg in Anspruch, und tischt dabei eine besonders deftige Sprache auf, womit die Grundbedürfnisse des Menschen mit beinahe tierisch-einfachen Lauten abgedeckt werden können. Wer sich am Bahnhof Hötting ein Ticket ausdruckt, wird über das international anspruchsvolle „Hotting“ erstaunt sein, es geht zumindest am Bahnhof heute noch heiß her in diesem Stadtteil.

Der Kinder- und Jugendbuchautor Hubert Flattinger inszeniert seinen Rundgang durch den Stadtteil seiner Kindheit mit einem Erinnerungsflash. Er trifft auf ein altes Gesicht, unter dem der Freund aus Kindheitstagen Willi verborgen ist. Und Willi erkennt im gealterten Gesicht des Erzählers jenen Popi mit dem er einst durch alle Zaunlöcher Höttings geschlüpft ist.