Ilse Irmtraud Scherr, Mord auf Long Island

Buch-CoverDie tapsigste Figur in diesem possenhaften Provinzkrimi aus dem Kärntner Lavanttal ist sicher die lokale Dorfnudel Augusta Jerome, die als Autorin von Dorfgeschichten alles ins lächerliche Lot rückt.

So kommentiert sie auch die Geschehnisse des Krimis in Echtzeit und führt dem Leser durch ihr Geschreibsel vor Augen, dass alles noch blöder und trivialer sein könnte, wenn es nicht an Ort und Stelle durch die Heimatkunst aufgebrochen, ironisiert und damit erledigt würde.

Obwohl der Krimi mit einem fulminanten Showdown im Dunstkreis des Vatikans beginnt, spielen sich die entscheidenden Vorgänge in einem Kloster im hinteren Kärnten ab. Der Abt treibt tot im Schwimmbassin, neben ihm eine aufblasbare Gummiinsel „Long Island“. Rund ums Kloster treiben die „Dark Angels“ ihr Unwesen, sie huldigen geheimen Kulten, sind vielleicht hinter einem illyrischen Schwert her, von dem Zauberkräfte ausgehen sollen.

Genaueres weiß man nicht, und auch die ermittelnden Beamten, die spätestens seit der Auffindung des toten Abtes in der Gegend herumschwirren, tragen nicht viel zur Klärung bei. Als echte Beamte sind sie fast alle strafversetzt und ohne jegliche Motivation.

Die Schriftstellerin Augusta Jerome wird zu guter Letzt noch entführt, weil sie so fulminant daneben schreibt, ihr gelingt eine spektakuläre Flucht durch ein Plumpsklo. (82)

In einer Melange von Geheimniskrämerei, Verschwörung, und still gelegtem Patriotismus kommt zuerst die Bevölkerung kurz in Wallung und anschließend wieder zu ihrer flächendeckenden Ruhe. Ein Kriminalfall in der Provinz löst eben nur für kurze Zeit Erregung aus.

Ilse Irmtraud Scherr schlängelt sich mit ihrem Text tapfer durch die Genres Provinzroman, Posse, Gothic und Klosterbrühe. Allein wie zu Beginn des Romans der Reihe nach Figuren abgeknallt oder beseitigt werden, hat nichts mit strenger Logik zu tun sondern mit üppig überhöhter Generaldestruktion. Dass große Tiere neben einer aufblasbaren Gummiwurst verenden müssen, dass sich das Ambiente eines entlegenen Tales mit der Szenerie vor dem Vatikan duelliert, dass die untersuchenden Beamten skurrile Geschehnisse mit noch skurrileren Erhebungen beantworten, lässt den Leser hell wach grinsend durch die Wälder des kriminellen Ödlandes streifen.

Und ein Rest von Wahrheit geht ja immer von diesen aufmüpfigen Lokalkrimis aus. Vielleicht sind die Kärntner im Lavanttal wirklich gut gläubig, leicht beschränkt und fallweise auf mythologisch unterlegte Gerüchte aus. Es gibt ja auch eine Globalisierung des Wahnsinns, der entlegene Orte wunderbar mit den Zentren des Bösen verbindet.

Ilse Irmtraud Scherr, Mord auf Long Island. Kriminalroman.
Innsbruck: Kyrene 2006. 124 Seiten. EUR 12,50. ISBN 3-900009-19-8.

 

Helmuth Schönauer, 15-03-2007

Bibliographie

AutorIn

Ilse Irmtraud Scherr

Buchtitel

Mord auf Long Island

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Kyrene

Seitenzahl

124

Preis in EUR

12,50

ISBN

3-900009-19-8

Kurzbiographie AutorIn

Ilse Irmtraud Scherr, geb. 1944 in Kärnten, lebt in Kärnten.

Themenbereiche