Helwig Brunner, Nachspiel

Buch-CoverIm Fußball ist das Nachspiel jenes Fünfminutengeschenk, das der Schiedsrichter den Mannschaften und dem Publikum als Ersatz für vertrödeltes Spiel macht. In der Erziehung ist das Nachspiel eine Drohung: Das wird noch ein Nachspiel haben! Im Sex hingegen kommt das Nachspiel nur sehr selten vor und tritt als Mischung von schlechtem Gewissen und vertrödelten Chancen zutage.

Helwig Brunner legt in seinem Nachspiel fünf Personen ins Krankenhaus und lässt sie in Monologen nicht miteinander kommunizieren.

Der Rechtsanwalt ist gerade beim Sex von seiner Sekretärin gefallen und liegt im Koma, die Sekretärin hat nichts von seiner Herzschwäche gewusst und ihm ein überdosiertes Potenzmittel eingeflößt.

Der behinderte Hilfsgärtner ist gerade vom Chef zusammengeschissen worden und hängt noch einer sexuellen Entspannungsübung nach, die ihm die etwas reifere Köchin hat zuteil werden lassen.

Diese Köchin hat ihrerseits ein schlechtes Gewissen, zumal ihr Mann ziemlich impotent ist, und monologisiert daher über den Sinn des Lebens und der Erotik in abgeklärter Form dahin.

Der Klinikvorstand schließlich ist jene Sau, die aus Gründen der medizinischen Ökonomie alle zusammenscheißt. Aber er muss Kohle aufstellen und hat sich auf ein riskantes Experiment zur Entwicklung sexueller Medikamente eingelassen.

Und seine Verbündete ist die Exgeliebte, eine Pharmazeutin, die mittlerweile die Gattin des komatösen Rechtsanwaltes vom Anfang des Romans ist. Wir haben es also mit einem klassischen Schnitzlerschen Reigen zu tun, nur dass eben alle Figuren den Sex schon hinter sich haben, der ihnen jetzt so viel Nachspiel einbrockt.

Unter dieser reißfesten Hormonkonstellation tun sich gesellschaftliche Abgründe über Glück, Lebensplanung, Gesundheit und Befriedigung auf. Wie im Staffellauf wird dabei das Wundermittel einer Potenz fördernden Intelligenzpille propagiert, Viagra für Ökofreaks gewissermaßen.

Als Leser ist man die einzige Komponente, welche diese durch falsche Sexualanwendung aus dem Leim gegangene Gesellschaft halbwegs zusammenhalten kann. Die Monologe zwingen dazu, sich mit dem Schicksal der jeweiligen Person unbarmherzig zu beschäftigen. Denn selbst wenn die Person im Koma liegt, als Leser lässt sie einen noch lange nicht in Ruhe.

Helwig Brunner hat einen skurrilen Vorabendkrimi geschrieben, bei dem es ordentlich quietscht, wenn die Zahnräder der Figuren ungeschmiert und asynchron ineinander fahren. Aber so ist der Alltag, so ist das Leben, so ist das Nachspiel beim Sex!

Helwig Brunner, Nachspiel. Roman in fünf Monologen.
Klagenfurt: Kitab 2006. 158 Seiten. EUR 18,-. ISBN 978-3-902005-71-7

 

Weiterführende Links:
Kitab-Verlag: Helwig Brunner,Nachspiel
Wikipedia: Helwig Brunner

 

Helmuth Schönauer, 19-02-2007

Bibliographie

AutorIn

Helwig Brunner

Buchtitel

Nachspiel

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Kitab

Seitenzahl

158

Preis in EUR

18,00

ISBN

978-3-902005-71-7

Kurzbiographie AutorIn

Helwig Brunner, geb. 1967, lebt Graz.

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