Qiu Xiaolong, Rote Ratten

Buch-CoverSeit Karl May lieben wir Leser alle diese Serienhelden, die in jedem Fall bei Null anfangen und uns mit ihrer offenen Art in die Arme und ein paar hundert Seiten lang in ihre Welt mitnehmen.

Kommissar Mister Chen Cao ist so ein Serienheld, er agiert in Schanghai in einem Umfeld, das nicht nur den westlichen Lesern unheimlich ist. Offensichtlich läuft neben dem Chinesischen Wunderwerk an Prosperität ein Sozialdrama ab, das Außenseiter, Gewalttäter, Bootsfahrer geschäftlicher Raffinesse und brutale Kriminalität produziert.

Rote Ratten ist der so genannte vierte Fall, bei Kriminalhelden werden die Fälle meist wie die zehn Gebote straff ikonisiert. Die Roten Ratten sind eine Gangstertruppe, die halb im Schatten der Partei, halb im Flügelschlag des Kapitalismus agiert.

Im Originaltitel „Ein Fall für zwei Städte“ wird bereits angedeutet, dass es in diesem vierten Fall um überregionale Verbrechen geht. Wenn schon der offiziell abgesegnete Handel auf Multikulti abgesehen hat, muss es auch das Verbrechen tun. Raffiniert geht die Handlung von Schanghai nach Los Angeles über, die Gangsterbosse, die in Shanghai nicht zu fassen sind, sitzen bereits in L.A. und schauen sich genüsslich an, wie Oberinspektor Chen tapsig in der fremden Umgebung herum recherchiert.

Eigentlich wollte Chen nur an einem Schriftstellerkongress teilnehmen, aber als man einen Polizisten in einem Bordell tot auffindet, muss er sofort mit der Spurensuche beginnen und glücklicherweise führt eine Abzweigung der Spuren in die USA.

Kapitalismus und Verbrechen sind in ihrer Struktur überall auf der Welt gleich aufgebaut, aber es gibt selbstverständlich den Lokalkolorit. So gibt beispielsweise ein chinesisches Bordell allerhand her für die Sinne, und sei es nur, dass chinesisch blumige Beschreibungen für die verschiedenen sexuellen Tätigkeiten verwendet werden. Ein Ziffernblatt lang die Gier umkreisen beispielsweise und dann mit dem Zeiger zustechen, das sind sehr erotische Beschreibungen.

Wie so oft in der Literatur sind es die Antihelden, die mit einer gewissen Unlust zum Fall diesen erst richtig aufrollen. Oberinspektor Chen rollt die Eingangsmatte zu den Roten Ratten aus, aber gegen den Kapitalismus und seine Vollstrecker hat er natürlich keine Chance, das wissen auch wir Leser.

Qiu Xiaolong, Rote Ratten. Oberinspektor Chens vierter Fall. A. d. Amerikan. von Susanne Hornfleck. [Orig.: A Case Of Two Cities; New York 2006]
Wien: Zsolnay 2007. 380 Seiten. EUR 23,50. ISBN 978-3-552-05379-3.

 

Weiterführende Links:
Amazon: Qiu Xiaolong, Rote Ratten
China-Krimi: Das Qiu Xiaolong Spezial

 

Helmuth Schönauer, 02-06-2007

Bibliographie

AutorIn

Qiu Xiaolong

Buchtitel

Rote Ratten

Originaltitel

A Case Of Two Cities

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Zsolnay

Reihe

Oberinspektor Chens vierter Fall

Übersetzung

Susanne Hornfleck

Seitenzahl

380

Preis in EUR

23,50

ISBN

978-3-552-05379-3

Kurzbiographie AutorIn

Qiu Xiaolong, geb. 1953 in Shanghai, Übersetzer, Lyriker, Kritiker, reiste 1988 in die USA und kehrte nach dem Massaker am Tiananmen-Platz nicht mehr nach China zurück. Lehrt in St. Louis.

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