Helene Flöss, Der Hungermaler

Buch-CoverSogenannte echte Künstler erleben nicht nur die Welt manchmal als unerträglich, auch die Erotik flippt öfter einmal in seltsame Seitengassen der Empfindung aus, wenn sie von Künstlern ins Spiel gebracht wird.

Helene Flöss stellt in ihrer Erzählung Der Hungermaler zwei erotisch extravagante Typen vor. Sie ist eine perfekte Weberin, die vor allem im sakralen Bereich hinreißende an der Schöpfung angelehnte Altartücher und andere gewebte Devotionalien kreiert, er ist ein Hungermaler, weil er nichts zu beißen hat und auch selten über die Phase der Entwürfe hinauskommt.

Die beiden tun sich in einer Tunke aus Erotik und Kunstsinn zusammen, wobei er natürlich immer wieder an der Frau herum modelliert wie an einer Statue.

Suchst du ein Modell oder eine Geliebte? sagt die Weberin einmal ziemlich sarkastisch. (76)

Aber der Hungermaler will seine dürre Geliebte unbedingt etwas üppiger ausgestattet, immerhin schwärmt er von italienischen Malern und satten Formen, so dass seine Geliebte immer wieder eine Mastkur hinlegt und beispielsweise in sieben Wochen fünf Kilo zunimmt. (91)

Aber auch die edelste Künstlerliebe wird ständig vom Alltag bedroht. Aus Mitleid verabreicht der Maler seiner Mutter, die ein hoffnungsloser Pflegefall ist, eine Überdosis an Medikamenten. Noch während des Begräbnisses wird er als Muttermörder verhaftet und muss für fünf Jahre ins Gefängnis.

Kunst, die kein Mitleid kenne, sei keine, meint der Maler als generelle Entschuldigung. (82)

Im Gefängnis entstehen Skizzen, Meditationen, gezeichnete Minimalstrukturen, die anschließend in provinziellem Rahman auf Schloss Esterhazy ausgestellt werden. Die noble Provinzgesellschaft leistet sich somit einen gezeichneten Blick auf die Gefängniswelt und redet mit näselndem Duktus über die Höhen der Kunst und die Tiefen des Strafvollzugs.

Die Gespräche des Künstlerpaares schwappen an manchen Tagen völlig vom Alltag weg und widmen sich der Kunstbetrachtung. Bei der Analyse des einen oder anderen Kunstwerks wird auch die Analyse selbst zur Kunst, an manchen Tagen scheint das Liebespaar ein Stück Kunst zu erleben und verliert dabei zwischendurch das handfeste Leben.

Der Titel Hungermaler lässt natürlich sofort an den Hungerkünstler von Kafka denken, die Askese als Profession, die hellwachen ausgehungerten Sinne als Triebkraft für die wahre Kunst. Gleichzeitig kommt auch der Hungerwahn von Models und anderen Kunstfiguren zur Sprache, inwiefern kann man seinen Körper ironisch modellieren und ab wann wird es eine ernste Sache.

Der Hungermaler ist eine an manchen Stellen leicht ironische Erzählung über die Höhen und Überhöhungen einer Kult-erotischen Beziehung.

Helene Flöss, Der Hungermaler. Erzählung.
Innsbruck: Haymon 2007. 141 Seiten. 14,90. EUR. ISBN 978-3-85218-541-5.

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Helene Flöss, Der Hungermaler
Wikipedia: Helene Flöss

 

Helmuth Schönauer, 27-09-2007

Bibliographie

AutorIn

Helene Flöss

Buchtitel

Der Hungermaler

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Haymon

Seitenzahl

141

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-85218-541-5

Kurzbiographie AutorIn

Helene Flöss, geb. 1954 in Brixen, lebt im Burgenland.

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