Werner Schandor, Mein kleines, lumpiges Leben

Buch-CoverDiese große Sehnsucht, aus einem unauffälligen Dasein eine Besonderheit zu machen, zieht sich durch die Träume der Menschheit und folglich der Literatur. Vielleicht kann man an Eichendorffs Realo-Romantik-Roman denken "Aus dem Leben eines Taugenichts", eine feine Sache über die Jahrhunderte.

Werner Schandor schickt seine zersplitterten Protagonisten aus diesem Grunde in den lumpigen Alltag. Wie kann ich mein Leben heroisch begreifen, und kann ich eingreifen, um mir selbst gerecht zu werden?

Für das lumpige Leben nimmt der Autor folglich feinsinnige Kunstgriffe in die Hand, damit der Leser die vernichtende Botschaft aushält, nämlich dass das denkende Individuum eigentlich ein Nichts ist.

Hauptfiguren im Roman sind gespaltene und verlagerte Figuren. E.E.Witz verliert bei jedem Auftritt zumindest einen Teil des Vornamens. So erfährt er etwa hundert verschiedene Namen und Identitäten, und als Leser ist man angehalten, die Lektüregepflogenheit zu überdenken. Kaum umgeblättert ist, ist die Figur mit dem Attribut "sagte er" vom Vorblatt nicht mehr jener im Hinterteil der Seite.

Der zweite Hauptdarsteller ist noch flüchtiger, er figuriert als Radiomacher mit halbstündlicher Identität. Im Privatleben heißt er Ingobert, aber dieser Identität ist zu misstrauen, weil im Roman fast alle entweder Berta, Bert oder ein Suffix davon heißen.

Die Namensgebung ist natürlich ein Abenteuer, das ununterbrochen Bescherung und Bescheuerung ausleert.

Orschulek, Affner, Launinger - für jedes Individuum bedeutet es Stress, diesen Figuren ausgesetzt sein zu müssen. Im Roman gibt es nur leise Abhilfe, am ehesten hilft die Imagination, wonach jede Vorstellung die Realität sei und diese kann man sich nicht vorstellen.

In der erzähltechnisch einfachen Schatulle, wonach das Besteck das Menü frisst, sind die Helden mit komplizierten Umgehungsversuchen darauf aus, die Wirklichkeit neu zu erschaffen, indem sie jeweils in ein neues Medium abtauchen.

Der Roman ist eine saftige Analyse des Medienbetriebes, des Literaturbetriebes und der Rezeptionstechnik durch simple Leser.

Werner Schandor hat ein paar wild gewordene Figuren wie Bären im Ötscherland der Medien ausgesetzt. Jetzt bitten wir alle, bitte kommt nicht um. E.E. Witz ist beispielsweise so realistisch, dass man ihm die Daumen hält und bittet, den Untertitel zu streichen. Kein letzter Roman, wenn's geht. Oder ist da schon wieder Werner Schandor gemeint?

Werner Schandor, Mein kleines, lumpiges Leben. Ein letzter Roman von E.E.Witz.
Wies: Edition Kürbis 2007. 133 Seiten. 14,90. EUR. ISBN 978-3-900965-30-3.

 

Weiterführende Links:
Edition-Kürbis: Werner Schandor, Mein kleines, lumpiges Leben
Textbox: Werner Schandor

 

Helmuth Schönauer, 15-12-2007

Bibliographie

AutorIn

Werner Schandor

Buchtitel

Mein kleines, lumpiges Leben. . Ein letzter Roman von E.E.Witz

Erscheinungsort

Wies

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Edition Kürbis

Seitenzahl

133

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-900965-30-3

Kurzbiographie AutorIn

Werner Schandor, geb. 1967 in Fürstenfeld, lebt in Graz.