Felsch / Gugger / Rath (Hrsg.), Berge, eine unverständliche Leidenschaft
Geschmeidig und handzahm springt dieses kulturhistorische Bilderlesebuch dem Benützer in die Hand und verhält sich wie ein Wanderführer, den man unauffällig griffbereit in die Überlandkleidung steckt.
Und der Umschlag schaut harmlos sicher wie eine Wanderkarte aus, hat es aber in sich, alles nämlich ist ein Fake.
Da gibt es ein "Lastenjoch", ein Geröll heißt der "Große Sammler", oben sind Zinken als "Drei Vermesser" ausgewiesen, mitten im Feld steht der Flurname "durchhalten" und die Ortschaft heißt "Alter Rucksack". - Ein kulturhistorisches Bildlesebuch über das Bergsteigen als Phänomen von Körper, Geist und Herz.
Leidenschaften haben es so an sich, dass die einen davon rasend erfasst sind und die anderen darüber den Kopf schütteln. Der biegsame Bildband zur Ausstellung des Alpenvereinsmuseums befriedigt beide Lust-Sorten. Eine Sammlung von Schuhsohlen zeigt dem Experten die Trittfestigkeit über Jahrhunderte, dem Kunsthistoriker jedoch ein faszinierendes Muster, das offensichtlich als Schritt-Graffiti ins Gebirge gestampft wird.
"Bergsteigen", "Das Gefühl der Höhe", "Spielplatz der Gefahren", "Die Alpen in uns", so sind einige Kapitel überschrieben, worin wir mit schaurig schönen Bildern und skurril anmutigen Texten konfrontiert werden.
"Schlechte Bergschuh" ohne Zweifel, hat erfunden einst der Teufel und zu strafen Alpinisten, die da sind gar schlechte Christen. (21)
Vom Kalauer, über panische Chronikeinträge bis hin zu kulturphilosophischer Erkenntnis ist in diesem Anreiß-Buch alles vorhanden, was Lust macht, zum eigentlichen Kern des Geschehens vorzudringen: Dem Alpenvereinsmuseum.
Dieses ist ein Kernstück alpiner Kultur und folgerichtig mittlerweile in der Prunk-Hofburg zu Innsbruck aufgestellt, wie in einem Vorwort richtig vermerkt wird.
Was natürlich nur die wenigsten wissen: Dieses so wunderbare Museum ist anstelle der ehemaligen Landesbibliothekstelle errichtet, welche mittlerweile samt ihren Medien aufgelöst ist.
Kultur mit lebenden Menschen, aktiver Literatur und prognostischen Texten hat in unserer Gesellschaft offensichtlich keine Chance gegenüber einem Museum voller Schuhsohlen und verrückten Berg-Idyllen. Erst wenn die Kunst in der Vitrine liegt, hat sie ihren Sinn erreicht, heißt die Botschaft.
So gesehen ist das Alpenvereinsmuseum der Höhepunkt der alpinen Kultur und der schmiegsame Bildband über die Leidenschaft der Berge ist dafür ein idealer Kulturbegleiter.
Felsch / Gugger / Rath (Hg.), Berge, eine unverständliche Leidenschaft. Buch zur Ausstellung des Alpenvereins-Museums in der Hofburg Innsbruck.
Wien Bozen: Folio Verlag 2007. 179 Seiten. 17,80. EUR. ISBN 978-3-85356-408-1.
Weiterführende Links:
Folio-Verlag: Berge, eine unverständliche Leidenschaft