Birgit Schwaner, Lunarische Logbücher

Buch-CoverAm aufregendsten sind Bibliotheken immer dann, wenn sie als ganzes verschollen sind, wenn sie sich insgesamt als Gerücht herausstellen, oder wenn sie etwas Skurriles sammeln.

In den Lunarischen Logbüchern wird nichts anderes behauptet, als dass es eine Bibliothek mit Flaschenpost-Medien gibt, die als zeitversetzte Schätze ausgebreitet sind.

Eine Erzählerin macht sich alsbald auf den Weg, um diese Botschaften, Fragmente, Notizen und Skizzen zu sichten. Dabei begibt sich die Forscherin imaginär in jene Gegenden, aus denen die Texte stammen.

In zwölf Abenteuern werden die entlegensten Gegenden besucht und die geheimnisvollsten Botschaften ausgehoben. Die einzelnen Kapitel kriegen sogleich faszinierende Überschriften wie: Ilamatar, Hai ahoi!, Rede an die Fische, Im Fischbauch: Lexikon / Nachricht aus Flebbe, Manifest der Mondfälscherin.

Wie beim echten Katalogisieren üblich, wird den Forschungsergebnissen eine Beschreibung des Fundstücks vorausgeschickt, eine Felsspitze im Meer, eine Wüste, oder knapp: der Bauch eines Fisches.

Die Fundstücke haben nur selten mit dem Fundort etwas zu tun, alles kann überall in amorpher Gestalt auftreten. Manchmal kriegen wir Leser einen Zipfel Literatur zu fassen, wenn etwa ein Kaffka auftaucht, freilich leicht lädiert und mit einem satten Buchstaben zu viel. Diese Figur freilich spricht durchaus kafkaeske Botschaften aus:

Er lasse die Dinge verwittern, erklärte er, bis eins an ein anderes erinnere: der Knochen an ein Stück Holz, das Styropor an Stein, Papier an vertrocknetes Laub, bis Tod und Leben, Natur und Kunst miteinander verschmelzen. Jedes Ding trage ein anderes in sich. Und er warte, bis sich eines zeige, das ihn an alle erinnere. Eine fixe Idee, aber auf diese Weise sei er auf dem Weg. (39)

Kafka als literarischer Hybrid, die Rose als botanisches Glück, das Lexikon als höchste Kunst der Realität, der Mond als ein Ding zwischen Materie und Himmelskörper: die lunarischen Logbücher enden logischerweise mit der Verschmelzung von Mond und Erde.

Die Mondfälscherin fälscht den Mond in die Erde hinein, was einem Ende der Fiktion gleichkommt. Wieder einmal versagt die Flaschenpost, indem sie als beschädigte Datei auftaucht, aus der nur noch wenige Wörter hervor lugen, aber diese Wörter haben es in sich:

Narreteien, Täuschungen, Entdeckungen, lunarische Kapriolen, Logbücher. (132)

Birgit Schwaners Lunarische Logbücher führen den Leser aus der angelernten Lese-Welt hinaus, und bringen ihn nach einer Ausschweifung durch diverse Irritationen wieder an seinen Ausgangspunkt zurück, aber die Sinne sind inzwischen schärfer geworden, wie bei einem milden Spaziergang durch Kleinodien.

Birgit Schwaner, Lunarische Logbücher.
Klagenfurt: Ritter 2007. 132 Seiten. EUR 13,90. ISBN 978-3-85415-415-0.

 

Weiterführende Links:
Ritterbooks: Birgit Schwaner, Lunarische Logbücher
Kunstradio: Birgit Schwaner

 

Helmuth Schönauer, 16-01-2008

Bibliographie

AutorIn

Birgit Schwaner

Buchtitel

Lunarische Logbücher

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Ritter

Seitenzahl

132

Preis in EUR

13,90

ISBN

978-3-85415-415-0

Kurzbiographie AutorIn

Birgit Schwaner, geb. 1960 in Frankenberg/Eder, lebt seit 1984 in Wien.