Andreas Renoldner, Lavendel vom Col de lHomme Mort

Buch-CoverWas am Brenner beginnt, wird für den gelernten Tiroler Leser aufregend! - Tatsächlich lässt Andreas Renoldner den Ich-Erzähler seiner Petrarca-Reise am Brenner starten, weil es da bald einmal ohne zu treten hinunter geht und so die Reise flott begonnen werden kann.

Der philosophische Reisebericht durch sieben Jahrhunderte ist fürs erste einmal eine Radtour, vom Brenner hinunter gehts über die Po-Ebene in den Alpenbogen gegen Frankreich, und den Höhepunkt stellt der Mont Ventoux dar, den ja schon Petrarca bestiegen hat.

An diesen Petrarca nun richtet der Ich-Erzähler Briefe, die ihm während des Radelns und Tretens einfallen. Die Gedanken sind dadurch ausgesprochen logisch rund und kräftig, andererseits aber auch überraschend und assoziativ. Ein guter Tritt ins Pedal löst oft auch einen guten Gedanken aus, wenn die Denkmaschine halbwegs geölt ist.

Von einem alten Text ausgehend überlegt der Gedankentreter immer wieder, was sich inzwischen so alles auf der Welt verändert hat. Einen Gebrauchsgegenstand der Gegenwart einem Menschen zu erklären, der vor siebenhundert Jahren gelebt hat, ist beinahe so abenteuerlich wie das Erfinden eines solchen Gegenstandes.

Die Alltagskultur der Gegenwart dockt durch diese Erzählwiese an die Renaissance an, egal, ob nun die Architektur einer Tankstelle in den Marktplatz der Antike hinein gleitet  oder ein Gebirgsrücken sich unter dem jeweils zeitgenössischen Warenverkehr zusammenduckt.

Andererseits schenkt der keuchende Treter dem Petrarca nichts, manchmal wird dieser höflich angeredet, dann eher wie ein Hund zusammengepfaucht. Gerade diese elitäre Lebensführung abgehoben von der Welt bekommt dem Petrarca nicht immer gut, er hat zu viele Gedichte geschrieben, wiederholt sich oft, ist zwischendurch sehr selbstverliebt und larmoyant, und seine Laura hat er am Ende gar mehr besungen als angeschaut, offensichtlich ein klassischer Fall von Impotenz.

Während der Reise gehen die Sinnesorgane des Radlers breit auf, so ist es ein krönender Abschluss der Tour, wenn der Erzähler am Col de lHomme aus spätem Lavendel für sich und Petrarca einen Strauß flicht, halb als Siegeskranz halb als Ernte für den Kopf gepflückt.

Das Leben während einer Radtour ist auf das Nötigste heruntergefahren, andererseits wird der Radler durch Entbehrung konzentrierte Lebensführung in diesen Tagen zu beinahe transzendenter Erkenntnis hochgeschleudert. Reifenflicken, Handy nachladen, Skizzen ordnen, Lebensmittel sinnvoll und mit Genuss dem Körper nachschieben: es entwickelt sich tagtäglich ein kleiner Roman.

Als Abspann hat der Autor die Literatur über Petrarca und die Packtasche für das Rad ausgeführt, beides ist für diesen Text gleich wichtig.

Andreas Renoldner hat mit diesem leichten Lavendel-Roman eine wunderschöne Reise zu Petrarca, durch die Alpen und durch den skurrilen Geistes-Karst unserer Tage geschrieben, und der Text rollt vor dem Auge des Lesers sachte ab, geräuschlos, aber feinnervig aufgeschlossen.

Andreas Renoldner, Lavendel vom Col de lHomme Mort. Zwölf Briefe an Petrarca.
Klagenfurt: Kitab 2008. 229 Seiten. EUR 16,-. ISBN 978-3-902585-09-7.

 

Weiterführende Links:
Kitab-Verlag: Biographie Andreas Renoldner
Kitab-Verlag: Andreas Renoldner, Lavendel vom Col de l’Homme Mort

 

Helmuth Schönauer, 23-04-2008

Bibliographie

AutorIn

Andreas Renoldner

Buchtitel

Lavendel vom Col de lHomme Mort. Zwölf Briefe an Petrarca

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Kitab

Seitenzahl

229

Preis in EUR

16,00

ISBN

978-3-902585-09-7

Kurzbiographie AutorIn

Andreas Renoldner, geb. 1957 in Linz, lebt in Wien.