Margriet de Moor, Der Jongleur

Buch-CoverWie ticken Artisten, wenn sie unter sich im Hotel sind? - Wenn die Zuschauer nach Hause gegangen sind und ihr Divertimento (Vergnügen) gehabt haben, müssen sich die Artisten mit sich selbst beschäftigen.

Dabei gehen sie offensichtlich genau so leidenschaftlich und sorglos mit einander um wie das Publikum es offensichtlich tut, das sie soeben nach Hause entlassen haben.

In einem Amsterdamer Hotel in den fünfziger Jahren steigen regelmäßig Artisten bei ihrer Durchreise ab, so wie andernorts vielleicht Handlungsreisende oder Kongressteilnehmer absteigen. Die Artisten haben längst untereinander ihre Reviere abgesteckt, jeder tut, was er kann, und auch das Dreiecksverhältnis, das bald einmal aufbricht, hält sich letztlich an schön austarierte Spielregeln zwischen romantischem Feuer und Schmierenkomödie. Ein Zauberer und ein Kegelwerfer rittern um die Gunst des polnischen Flüchtlingsmädchens Dasy, das mit allerlei Kunststücken in der erotischen Arena Fuß fasst.

Das Divertimento plätschert lautlos dahin, wie man sich eben als Leser nach einem arbeitsreichen Tag noch etwas Lektüre gibt, wobei der Ausgang egal ist, weil er ohnehin in Schlaf endet.

Die Zeitgeschichte ist seltsam fern, es gibt allerhand Flüchtlinge, das Leben ist karg aufgestellt, die Lebenslust der Menschen nach dem Krieg wieder halbwegs geweckt. Aus der heutigen Zeit erzählt wirken diese Ereignisse seltsam patinös und von alten Erzählungen abgekupfert.

Zwischendrin werden die Kunststücke mathematisch genau beschrieben, der Zeitfaktor ist das Entscheidende bei einem Kunststück, vielleicht darf deshalb nicht allzu viel Zeitgeschichte in den Auftritt eines Artisten fließen. Oder vielleicht ist ein gutes Dreieckverhältnis gar ein Stück Artistik, und man muss den jeweiligen Berührungspunkt ruhig stellen, damit nicht allzu viele Emotionen entstehen.

Der Roman wirkt seltsam geklont und künstlich. Alle Ereignisse sind nach einem glatten Handbuch des Designs gestrickt, jede Aufregung ist so ausgetestet, dass sie auch mit einem Herzschrittmacher spielend zu überleben ist.

Dieses Buch kann man am ehesten jemandem empfehlen, den man noch überhaupt nicht kennt und vielleicht auch nicht näher kennen lernen will. Mit diesem Buch kann nämlich überhaupt nichts schief gehen, aber es passiert natürlich auch nichts, wenn man es liest.

Margriet de Moor, Der Jongleur. Divertimento. A. d. Niederl. von Helga van Breuningen. [Orig.: De kegelwerper, 2006].
München: Hanser 2008. 159 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-446-23000-2

 

Weiterführende Links:
Amazon: Margriet de Moor, Der Jongleur
Homepage: Margriet de Moor

 

Helmuth Schönauer, 21-05-2008

Bibliographie

AutorIn

Margriet de Moor

Buchtitel

Der Jongleur. Divertimento

Originaltitel

De kegelwerper

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Hanser

Übersetzung

Helga van Breuningen

Seitenzahl

159

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-446-23000-2

Kurzbiographie AutorIn

Margriet de Moor, geb. 1941 in Noordwijk geboren, lebt in Bussum.

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