Dietfried Bernet, Argumente für den Herrn im Frack

Buch-CoverEs gibt wundersame Berufe, die sind so einmalig, dass sie nicht einmal zur Verkleidung im Fasching taugen. Der Dirigent ist so ein exotisches Berufstier, das jeder Mensch als fleischgewordenen Taktstock im Frack kennt.

Dietfried Bernet erzählt frisch von der Leber weg, was es mit der Dirigiererei so auf sich hat. Natürlich braucht es für diesen Beruf Begabung, vor allem aber Hingabe und glühendes Interesse.

Dabei ist der Weg des Dirigenten nicht planbar, manchmal kann man sich von peripheren Opernhäusern heraus in die internationale Szene vordirigieren, vieles aber beruht auf Glück und Durchhaltevermögen.

Beispielsweise erzählt der Autor, wie er selbst Dirigent geworden ist, während des Studiums hat er Zuchthühner verkauft, was ihm prompt die Schlagzeile eingebracht hat: "Früherer Hühnervertreter wird Dirigent!" (223)

Der Dirigent ist ein typischer Beruf der Unsichtbarkeit. Was wir während der Aufführung fuchtelnd vor dem Orchester aufgestellt beobachten können, ist nur die Taktspitze des Musik-Eisbergs. Allein eine zeitliche Aufstellung einer Opernvorbereitung zeigt, wie umfangreich die Tätigkeiten sind. Vom ersten Lesen einer Partitur bis zur Aufführung vergehen meist Jahre, in denen der Dirigent keinen Frack anhat.

Dietfried Bernhards Essay geht ganz behutsam mit dem Fachwissen der Musik um. In kleinen Notenausschnitten wird gezeigt, was ein Pauken-Schlager erlebt, während er nicht spielt, wie ein Geiger in Heimarbeit die Bogenstriche in der Partitur einzeichnet und wie sich ein großes Werk letztlich in logisch zusammengebaute Sequenzen gliedern lässt. Die einzelnen Musikproduzenten werden vorgestellt, zu Streichern, Hörnern und Holz gibt es jeweils Anekdoten, die die musikalisch-intellektuelle Besonderheit des orchestralen Musizierens aufzeigen.

Der Dirigent sollte auf mehreren Ebenen fit sein. Einerseits muss er ein perfekter Personalmanager sein, der den Zeitplan für Proben so gestaltet, dass niemand unterfordert ist, auf der anderen Seite muss er sich mit Gruppendynamik auskennen und fallweise emotionale Dissonanzen im voraus erahnen und zur Sprache bringen, und drittens sollte er eine internationale kulturpolitische Allgemeinbildung aufweisen, um etwas so Kosmopolitischem, wie die Musik es ist, auf allen Bühnen von Provinz und Welt gewachsen zu sein.

So gesehen kann der Beruf des Dirigenten mit dem Management von so manchem Wirtschafts- oder Bildungsbetrieb in Echtzeit verglichen werden.

Dietfried Bernets Essay ist eine Liebeserklärung an die Musik und eine Handreichung für alle, die sich ein wenig genauer mit jenem Wesen beschäftigen wollen, das man als Musik bis in die letzte Lebensfaser spürt, von dem man aber oft nur den Frack und das hüpfende Auf und Ab des Taktstockes sieht.

Dietfried Bernet, Argumente für den Herrn im Frack. Essay.
Hohenems: Limbus 2008. 244 Seiten. EUR 19,80. ISBN 978-3-902534-14-9.

 

Helmuth Schönauer, 13-10-2008

Bibliographie

AutorIn

Dietfried Bernet

Buchtitel

Argumente für den Herrn im Frack

Erscheinungsort

Hohenems

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Limbus

Seitenzahl

244

Preis in EUR

19,80

ISBN

978-3-902534-14-9

Kurzbiographie AutorIn

Dietfried Bernet, geb. 1940 in Wien, Ehrendirigent des Tiroler Landestheaters, lebt in Lingenau / Vorarlberg.