Peter Patzak, Akte Im Schweigen vermählt
Tausende Augen von posierenden Frauengesichtern schauen uns in einem Museum an, wir Besucher freilich haben oft nur den Blick für das Schild, auf dem der Namen des Malers steht.
Peter Patzak führt uns einen Akt-Reigen vor, in welchem die Frauen als Modelle die Hauptrolle spielen. Aus flüchtigen Bemerkungen der malenden Helden und aus Nuancen zwischen den Zeilen der heroischen Künstlerbiographien hat der Autor die schweigenden Schicksale zum Klingen gebracht.
Bei Marilyn Monroe etwa, die unter den Händen von Andy Warhol zur bunten Ikone verkommen musste, lösen sich die einzelnen Serien aus ihren Klischees und sprechen als jeweilige Matrix des Gesichtes zu einander.
Marilyns Folie 2 schlüpft hinter Folie 1, vibriert: Jeder braucht Vorbilder, um keinen Selbstmord zu begehen. Er hat mich zum Popstar gemacht. Als Diva wäre sie doch längst vergessen. Mein Gesicht übersteht alle Blicke und natürlich überdauert es auch seine Farben. Sie stehen für Schönheit oder Hässlichkeit. Wer will das entscheiden? (71)
In das Hinterzimmer von Marion Mompou kommen eines Tages drei wilde Gesellen, die sich als Maler ausgeben. Sie treiben erotisch bunte Scherze mit der Lady und sparen auch mit Klecksen nicht. Doch Marion schüttet ihr Herz per Post einem Polizeioffizier aus und dieser sammelt die Briefe und übergibt sie in einer Kiste am Dachboden der Zeitlosigkeit. So kommt Jahrzehnte später die Geschichte mit dem Maler Pablo Picasso als schweigender Akt zum Vorschein, das Modell der Kleckserei wird unsterblich.
Miro verarbeitet an anderer Stelle einen Schuh und eine Nähmaschine aus dem Fundus von Gauguin zu makaber-erotischen Werken. So kommen die Frauen Juliette Huais und Germaine Chardon zu späten Ehren, denn sie haben die Gebrauchsgegenstände den Künstlern zur Verfügung gestellt und sich damit ins Werkverzeichnis gerettet.
Rembrandt, Egon Schiele oder Edward Hopper sind unter anderem Beobachter und Auslöser für verschwiegene Geschichten.
Peter Patzaks Akte zeigen, wie pervers elitär der Kunstbetrieb letztlich funktioniert. Während jede Handbewegung des malenden Künstlers zu einem Geniestreich hoch stilisiert wird, verrotten die Geliebten, die Modelle, die Seelenfreundinnen und Musen zu bloßem Beiwerk. Dabei hätten eigentlich die Frauen das Wichtigere zu erzählen, denn sie sitzen am Lebensstoff, während die malenden Herren oft kaum die Augenlider öffnen können, wenn der Tag zu früh und zu hell einsetzt.
Peter Patzaks Stück Akte - Im Schweigen vermählt wurde am 19. Jänner 2008 im Stadttheater Walfischgasse in Wien uraufgeführt. Der Text wurde für dieses Buch neu bearbeitet.
Peter Patzak: Akte. Im Schweigen vermählt. Zehn Abschiede. Mit Fotografien von Sepp Gallauer.
Wien: Klever 2008. 96 Seiten. EUR 15,90. ISBN 978-3-902665-05-8.
Peter Patzak, geb. 1945 in Wien, lebt in Wien.
Weiterführende Links:
Klever-Verlag: Peter Patzak: Akte. Im Schweigen vermählt
Wikipedia: Peter Patzak