William Trevor, Geborgtes Glück

Buch-CoverDas Glück ist ein Vogerl, heißt es im Volksmund, bei William Trevor ist es ein kurzer geliehener Augenblick. Die vier hier versammelten Erzählungen gelten mit Recht als die schönsten aus dem Erzählkosmos des Bildhauers und Lehrers William Trevor, der das Schauen und Begreifen zum Inhalt seiner Texte gemacht hat.

Der Autor lebt ganz innig mit seinen Figuren, er schickt sie manchmal aus dem Text hinaus, redet mit ihnen unter vier Augen, eher er sie wieder in den Text hineinlässt.

"In Isfahan" heißt die Erzählung, wo vom Leben gut abgehangene Figuren mitten im Touristenstrom aufeinander treffen. Die Frau ist Stenotypistin in England gewesen und hat unglücklich nach Bombay geheiratet, der Mann ist in zwei Ehen jeweils von den Frauen betrogen worden. Jetzt buchen die beiden eine Stadtrundfahrt und betrinken sich am Abend, ohne sich jedoch körperlich in die Nähe zu kommen. Letztlich genügt die Vorstellung, dass sich alles ergeben könnte, um für ein paar Stunden glücklich zu sein.

Scheinbar kindisch geht es beim "Teddybärenpicknick" zu. Ein Börsen-Heini mit pragmatisch-monetärem Blick regt sich über seine Frau auf, die ihre Freunde zum Kindergartenfest trifft. Alle nehmen ihre Teddybären mit und erzählen von kindischen Abenteuern mit und ohne Stofftier. Der Banker wird schier wahnsinnig, ob des kindlichen Getues, andererseits muss er zur Kenntnis nehmen, dass seine Geld-Welt nichts mit dem Glück zu tun hat. Als am Schluss der Hausherr vor Aufregung über die Teddys tot umfällt, kann der nüchterne Glückssucher endlich einschreiten.

Im entlegenen Landinneren von Irland, mitten unter archaischen Gesteinsblöcken, spielt eine nüchtern sinnvolle Liebesgeschichte, bei der die "Handtasche von Colette Nervi" die Hauptrolle spielt. Eine behinderte Frau kriegt einen Heiratsantrag vom Nachbarn, der üblicherweise sein Geld bei Wetten gewinnt und im Saufen verliert. Aber zum Glück gehört es manchmal, dass man nehmen muss was kommt, vor allem wenn man am flachen Land wohnt. Der Brautwerber macht seltsame Hochzeitsgeschenke, die alle aus der gestohlenen Handtasche stammen, die ein französisches Touristenpärchen einst verzweifelt gesucht hat. Zur Hochzeit wird die Frau übrigens die Krücke mit einem weißen Schleier einwickeln, vielleicht sollte man alles einwickeln, damit das Glück nicht verfliegt.

Eine Dreieinigkeit zwischen einem seltsamen Vormund und zwei Heimkindern führt zu einem stresshaften Glück. Die Heimkinder von einst haben aus Verzweiflung geheiratet und sind auf dem Weg nach Venedig. Allerdings ist der Flug falsch gebucht, so dass sie ihre Aus-Zeit in einem Schweizer Edelweiß-Hotel verbringen müssen. Gewöhnt, das Leben karg zu nehmen, beißen sie sich auch durch diesen Urlaub durch und hassen ihren Vormund-Onkel, den sie wohl nie mehr los werden.

Die Wärme ihrer Körper war ihnen ein vertrauter Trost. [...] Sie unterließen es, zu sagen, dass ihre Körper ihnen ein Trost waren. (116)

William Trevor erzählt fein, zurückgenommen, hilft zu seinen Figuren und kann dennoch nicht verhindern, dass das Glück nur ein Hauch ist. Aber dieser sachte Wink des Glücks strömt leise aus dem Text und nistet sich im Leser ein. Auch das Gelesene nämlich ist letztlich nur geliehen.

William Trevor, Geborgtes Glück. Die schönsten Erzählungen. Ausgewählt und mit einem Nachwort von Hanns Zischler.
Hamburg: Hoffmann und Campe 2008. 128 Seiten. EUR 12,40. ISBN 978-3-455-40101-1.

 

Weiterführende Links:
Wikipedia (engl.): William Trevor
Verlag Hoffmann und Campe: William Trevor: Geborgtes Glück
Wikipedia: William Trevor

 

Helmuth Schönauer, 17-10-2009

Bibliographie

AutorIn

William Trevor

Buchtitel

Geborgtes Glück. Die schönsten Erzählungen

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Hoffmann und Campe

Seitenzahl

128

Preis in EUR

12,40

ISBN

978-3-455-40101-1

Kurzbiographie AutorIn

William Trevor, geb. 1928 in Mitchelstown / Irland, lebt in Devon / England.