Martin G. Wanko, Die Wüste lebt!

Buch-CoverWenn ein Österreicher in die Wüste geschickt wird, kann daraus nur etwas Skurriles entstehen.

Österreich hat also seinen Erfolgstrainer Peppi Hickersberger in die Wüste geschickt, eigentlich ist er freiwillig gegangen, wie eben alle österreichischen Fußballtrainer immer freiwillig gehen. Jetzt trocknet ihm in der Wüste das Hirn aus, schräge Gedanken verfolgen ihn und nichts erscheint ihm mehr selbstverständlich.

So spielt der Fußballtrainer mittlerweile Golf und fragt sich, ob das österreichische Wesen vielleicht generell eine Golfpartie ist, zwischen einlochen und einnetzen macht der alpine Sportler nämlich keinen Unterschied.

Freilich schimmert auch etwas Wehmut aus den Gedankenschlieren des Aussteigers. Alles wäre möglich gewesen, er hätte ein anständiger Mensch werden können mit einem anständigen Beruf. Aber nein, es musste Fußball sein, der ihn stracks in die Wüste geführt hat. Und dann liegt da noch das Desaster von Faröer bleischwer über der Nation. Die verlorenen Schlachten der Habsburger waren ein Klacks gegen die Schmach auf den Faröern. Gegen eine Mannschaft mit einem Zipfelmützen-Tormann zu verlieren ist das wohl das Perverseste, was es auf dieser Welt gibt.

Als Hickersberger seinen Wüsten-Monolog ausseufzt, ahnt er naturgemäß auch, dass sich die Österreichische Fußballmannschaft abermals gegen die Faröer blamieren wird. Denn das Faröer-Syndrom ist letztlich eine Schlacht, die man auch über Jahrhunderte nicht gegen sich selbst gewinnen kann.

In der zweiten "Sportgeschichte" geht es um die Heroisierung von Niki Lauda. In einer dramaturgischen Annahme, die wie Orson Welles berühmtes Hörspiel über den Krieg der Welten die Nation aus dem Häuschen bringt, wird die Nachricht verkündet, dass Niki Lauda gestorben sei. Dieser Tod ist für Österreich eine nationale Katastrophe, denn Selbstbewusstsein, Heldentum und nationale Insignien des Landes haben offensichtlich schlagartig ihren Odem ausgehaucht.

In einem Trance-Zustand zwischen Begräbnis-Geilheit und Hyper-Nekrophilie kollabiert die Nation an ihrem fliegenden und rennfahrenden Superhelden. Politik, gesellschaftliches Leben, Zukunftsplanung sind unmöglich, denn alles wird mit österreichischer Todesverachtung zusammen mit dem Helden zu Grabe getragen. Wie bei Formel-1-Rennen rennen Reporter, Analysten und Gesellschaftsjournalisten im Kreis und überholen Anstand, Moral und gute Sitten. Österreichs Todeskult ist ein totes Rennen gegen sich selbst, wer sich diesem Mainstream an Larmoyanz in den Weg stellt, wird von der Piste gepisst.

Martin G. Wankos Stücke zeigen letztlich humorvoll und in sachter Sympathie für die Helden, wozu Österreich auf der Hinterseite der offiziellen Geschichtsschreibung fähig ist. Die Wahnsinnigen sind nicht die gefeierten und in die Wüste geschickten Helden, sondern jene Zuschauer, die jeden Tag Blut, Sand und Spiele sehen wollen.

Martin G. Wanko, Die Wüste lebt! Der Tag, an dem Niki Lauda starb. Mit einem Vorwort von Kurt Palm.
Graz: edition keiper 2008. 108 Seiten. EUR 15,90. ISBN 978-3-9502516-0-9.

 

Weiterführende Links:
Edition Keiper: Martin G. Wanko: Die Wüste lebt
Wikipedia: Martin G. Wanko

 

Helmuth Schönauer, 28-11-2008

Bibliographie

AutorIn

Martin G. Wanko

Buchtitel

Die Wüste lebt! Der Tag, an dem Niki Lauda starb

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

edition keiper

Seitenzahl

108

Preis in EUR

15,90

ISBN

978-3-9502516-0-9

Kurzbiographie AutorIn

Martin G. Wanko, geb. 1970, lebt in Graz und Bregenz.